Berlin (Reuters) - Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl nehmen Regierung und Immobilienwirtschaft den Wohnungsmangel verstärkt ins Visier.
Während die Branche mehr Bauland und schnellere Genehmigungsverfahren verlangt, stellt die Koalition wegen steigender Mieten regelmäßige Wohngelderhöhungen in Aussicht. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) forderte am Mittwoch mehr Unterstützung der öffentlichen Hand für bezahlbares Bauen. "Es wird zu wenig und zu teuer gebaut", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko in Berlin. "Wir haben in Deutschland eine Situation erreicht, wo der normale Durchschnittsverdiener nicht mehr in der Lage ist, eine Neubauwohnung zu bezahlen."
Die Branche klagt über zu hohe Baukosten und zu wenig Grundstücke. Auch ein Regierungsbericht zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sieht mangelndes Bauland als "entscheidenden Engpassfaktor". Der Staat sei gefordert und müsse mit gutem Vorbild vorangehen, unterstrich Bundesbauministerin Barbara Hendricks. "Wir benötigen günstige Grundstücksflächen für die Schaffung von Wohnungen, insbesondere auch im sozialen Wohnungsbau." Der Wohngeld-Bericht der Regierung empfiehlt zudem eine regelmäßige Anpassung des Wohngelds an die Mieten- und Preisentwicklung. Dies sollte alle zwei Jahre geschehen, sagte die SPD-Politikerin.
Union und SPD haben dem Thema viel Platz in ihren Wahlprogrammen eingeräumt. Die SPD will ein Familienbaugeld einführen, um den Kauf von Eigentum für Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen zu erleichtern. Zudem soll die sogenannte Mietpreisbremse verschärft werden, mit der Erhöhungen durch die Eigentümer gedrosselt werden sollen. Die Union betont: "Wohnungsbau ist der beste Mieterschutz." So sollen Vorschriften am Bau ausgedünnt und Kosten gesenkt werden. Ferner sind Steuervergünstigungen für Bauherren geplant. Ein Baukindergeld von 1200 Euro über zehn Jahre soll Familien beim Kauf helfen.
Unstrittig ist unter Experten, dass vor allem in Groß- und Universitätsstädten Wohnungen fehlen. Jährlich müssten 400.000 gebaut werden, sagte der GdW-Chef und bezifferte den Nachholbedarf der vergangenen Jahre auf eine Million. Im vorigen Jahr gab es zwar so viele Fertigstellungen wie seit 2004 nicht mehr, aber unterm Strich nur rund 278.000 Einheiten. Die Bundesregierung plädiert bis 2020 für den Bau von rund 350.000 neuen Wohnungen im Jahr, wie Hendricks bekräftigte.
In Wohnungen der GdW-Unternehmen leben bundesweit rund 13 Millionen Menschen. Der GdW vertritt damit Firmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften.