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Börse Frankfurt-News: Investieren in Branchen (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 15.08.2012, 15:40
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. August 2012. Branchen haben wieder Konjunktur bei der Aktienanlage. Von den Modellen, wie sich Sektoren entwickeln, favorisiere ich das Trendmodell. Die Vorteile von Investitionen in Trends: Weniger Schwankungen, weniger Risikoanfälligkeit, bessere Zukunftsaussichten.

Der Aktienmarkt verändert sich. Lange Zeit konnten An­leger auf die einfache Börsenregel vertrauen: 'Läuft But­ter, läuft Käse'. Die Unterschiede zwischen der Kursent­wicklung der einzelnen Sektoren wurden geringer. Nur krasse Außenseiter setzten sich ab. Für Investoren war es unter diesen Bedingungen ausreichend, sich an Marktindizes zu orientieren. Exchange Traded Funds, die den allgemeinen Markt abbildeten, feierten fröhliche Urständ (Auferstehung. d.Red.). Die Unterschiede zwischen den Unternehmen waren häufig größer als die Unterschiede zwischen den volkswirtschaftlichen Branchen.

Seit einiger Zeit ist das anders. Die Marktentwicklung dif­ferenziert sich. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Sek­toren Reisen & Freizeit und Grundstoffe im Euro Stoxx 600. Seit Beginn dieses Jahres haben sich die Kurse im Bereich Reisen & Freizeit unter Schwan­kun­gen relativ kontinuierlich nach oben entwickelt. Dagegen sind die Kurse der Unternehmen der Grund­stoffindustrie zuerst deutlich gestiegen, dann aber stark gefallen. Mein Kollege Philip Seegerer, der den Fonds Assena­gon Trend Sektor 80 managt, hat nachge­wiesen, dass die Korrelation zwischen den einzelnen Sektoren ge­nerell wieder abnimmt.

Die unterschiedliche Entwicklung der Branchen gibt Anlegern mehr Alternativen zum Investieren. Sie wirft aber auch mehr Fragen auf. Wo sollen sie ihr Geld am Aktienmarkt am besten anlegen?

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Anleger kennen eine oder mehrere Branchen gut, so dass sie ein klares Urteil haben, ob sie ein 'Kauf' oder ein 'Ver­kauf' sind. Ich habe zum Beispiel mein Leben lang in Ban­ken gearbeitet und kenne mich da etwas aus. Ich würde diesen Sektor derzeit wegen des großen Um­struktu­rie­rungsbedarfs nicht als Langfristanlage em­pfehlen.

Zweitens: Anleger orientieren sich am sogenannten Konjunkturmodell. Wenn die gesamtwirtschaftliche Ent­wicklung gut läuft, dann steigen vor allem die zyklischen und im Allgemeinen mit einem größeren Risiko verbun­denen Werte. Die Risikobereitschaft der Anleger nimmt zu. Am Anfang der Konjunkturerholung gehen vor allem Grundstoffe wie Stahl und Chemie nach oben. Dann kommen Investitionsgüter wie Maschinen- und Anlagen­bau und am Schluss Konsumgüterwerte. Im Konjunktur­abschwung sollte man eher in defensive Werte inves­tie­ren wie Versorger.

Das war lange Zeit eine verlässliche Regel. Inzwischen ist sie jedoch fragwürdig geworden. Zum einen sind viele Unternehmen durch die Restrukturierungen der letzten Jahren konjunkturunabhängiger geworden und schwerer in Branchenschemata einzuordnen. Thyssen beispiels­weise verkauft Stahl (= Grundstoff), ist aber auch stark im Maschinenbau (= Investitionsgüter) tätig. Die großen Chemieriesen BASF oder Bayer stellen sowohl indus­tri­elle Chemikalien her (= Grundstoffe) als auch Pharma­zeutika (= Verbrauchsgüter). Hinzu kommt, dass Kon­junkturzyklen nicht mehr so einfach zu identifizieren sind. In diesen Monaten verlangsamt sich die gesamt­wirtschaftliche Entwicklung, die Aktienkurse gehen aber eher nach oben (und keineswegs nur die defensiven Werte).

Für solche Zeiten gibt es das dritte Modell, die Orientie­rung an gesamtwirtschaftlichen Trends. Unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung gibt es allgemeine volkswirtschaftliche Trends, die den Erfolg der Unter­nehmen beeinflussen. Das sind zum Beispiel die Alte­rung der Gesellschaft. Von ihr profitieren unter anderem Krankenhäuser und Altenheime, aber auch die pharmazeu­tische Industrie und alle Unternehmen, die sich auf die Bedürfnisse der Senioren einstellen. Oder Digitalisie­rung. Sie kommt vor allem Firmen zugute, die in der In­formations- und Kommunikationstechnologie tätig sind oder sie nutzen. Oder die Glokalisierung, das heißt die Verbindung von globalem Geschäft mit lokalem Service (zum Beispiel die Post mit weltweiter Logistik und loka­len Briefträgern). Ein anderer Trend ist die verstärkte Nachfrage nach Luxusartikeln der verschiedensten Art, der sich mit steigendem Einkommen und der Sättigung bei lebensnotwendigen Gütern ergibt.

Aktien der Unternehmen, die sich auf solche volkswirt­schaftlichen Trends einstellen, sind häufig 'langweilig'. Es gibt hier keine größeren konjunkturellen Schübe (zum Beispiel Nestlé). Sie sind über die Zeit aber oft stabiler als die anderer Firmen. Sie weisen wegen der stabilen Nachfrage häufig eine gute Ertragsentwicklung auf. Oft sind sie solide finanziert und zahlen auch eine attraktive Dividende. Vor allem haben sie langfristig gute Zukunftsaussichten.

Im bisherigen Jahresverlauf waren es vor allem die Sek­toren Lebensmittel & Getränke, Gesundheitswesen, Persön­liche & Haushaltsgüter (zu denen Hersteller von Luxus­waren wie LVHM gehören), aber auch die Chemie we­gen der wachsenden Bedeutung der Pharmazeutika. Sie alle wachsen unabhängig von der generellen Markt­ent­wicklung relativ stabil.

Für Anleger

Schauen Sie sich vor allem das Trendmodell für die Branchenallokation Ihrer Investitionen an. Derzeit stei­gen die Aktienkurse nicht, weil die Konjunktur so gut ist. Entscheidend sind die hohe Liquidität, die niedrigen Zin­sen, die Angst vor Inflation und das Fehlen von Alterna­tiven. Aktien sind zu einem 'Rentenersatz' geworden, wie es ein Kollege aus dem Handelsraum vor kurzem formulierte. In einer solchen Situation ist ein langfristig orientierter Investor mit Werten, die volkswirtschaftliche Trends widerspiegeln, am besten aufgehoben. Dies auch deshalb, weil es zunehmende Risiken gibt durch die Eurokrise, die internationale Wirtschaftsentwicklung und durch markttechnische Faktoren (Nähe zu dem bis­herigen Hoch von 8.000 beim DAX).

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 15. August 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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