Investing.com - In den USA nimmt die Angst vor einer Rezession immer weiter zu. Festmachen lässt sich dies nicht nur an der tiefsten Inversion der Zinsstrukturkurve seit 1981, sondern ebenso an dem viel beachteten Rezessionsmodell der New Yorker Fed. Auch JPMorgan-CEO Jamie Dimon und die Ratingagentur Fitch warnen eindringlich vor einem Konjunkturabschwung im nächsten Jahr. Dies birgt vor allem Risiken für den Bankensektor, der sich in den letzten Tagen deutlich schlechter entwickelt hat als der breite Markt.
Anleger achten bei der Beurteilung von Rezessionsrisiken häufig besonders auf die Renditespanne zwischen 10 und 2 Jahren, da Umkehrungen in diesem Teil der Kurve in den letzten 40 Jahren jeder Rezession vorausgegangen sind.
Mit 83 Basispunkten hat dieser Teil der Zinskurve gestern die tiefste Inversion seit 1981 erfahren - und ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Das liegt daran, dass die zweijährige Rendite als marktseitige Richtschnur für die Fed Funds gilt, während ihr zehnjähriges Pendant als marktbasierter neutraler Satz betrachtet wird. Insofern dürfte die Zweijahresrendite mit der Bekanntgabe der neuen Dot Plots der US-Notenbanker am 14. Dezember weiter stärker steigen als die Zehnjahresrendite, schließlich hatte die Fed im September als Zinsobergrenze für das Jahr 2023 nur 4,6 Prozent anvisiert.
Je größer die Inversion, desto restriktiver interpretieren die Märkte die Geldpolitik der Fed. Genau das treibt derzeit die Aktienmärkte um, je näher die nächste Fed-Entscheidung rückt, zumal die Notenbank nicht müde wird zu betonen, dass die Leitzinsen nicht nur stärker steigen dürften als erwartet, sondern auch für längere Zeit auf einem höheren Niveau bleiben müssen, um die Inflation erfolgreich einzudämmen. Wenn es so kommt, wie es derzeit aussieht, könnte man auch ohne weiteres von der "Powell-Rezession" sprechen.
Dass eine Rezession kommt, ist inzwischen so gut wie sicher. Warum? Das Prognosemodell der New Yorker Fed schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im November 2023 jetzt auf über 38 Prozent. In der Vergangenheit waren Werte über 30 Prozent immer ein Vorbote für einen Wirtschaftsabschwung. Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit zieht die einflussreiche Regionalstelle der Fed die Spanne zwischen Drei-Monats- und Zehn-Jahres-Renditen heran. Daraus wird dann die prozentuale Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten errechnet. Es ist nicht nur die aktuell berechnete Wahrscheinlichkeit und die Präzision des Modells in der Vergangenheit, sondern auch das außerordentliche Gewicht der New Yorker Fed im Fed-System, das das Risiko eines Konjunkturabschwungs so akut macht.
Auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Offenmarktausschusses nächste Woche wird Notenbankchef Powell mit ziemlicher Sicherheit auch eine Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Rezession beantworten müssen. Vielleicht zitiert er dabei das Modell der NY Fed und sagt "38 Prozent". Aber angesichts der fast schon unheimlichen Treffsicherheit des Modells lautet die wahre Antwort wohl eher "fast 100 Prozent".
Eine Warnung gab es gestern auch von JPMorgan-CEO Jamie Dimon. Er sieht die US-Wirtschaft im nächsten Jahr in eine Rezession fallen. Zur Begründung verwies er auf die Inflation, die Verbrauchern und Unternehmen voraussichtlich den Boden unter den Füßen wegziehen wird. "Mit Blick auf die Zukunft können diese Dinge die Wirtschaft sehr wohl aus dem Tritt bringen und eine leichte oder schwere Rezession verursachen, über die sich die Leute Sorgen machen", sagte er in einem Interview mit CNBC.
Wenig optimistisch äußerte sich auch die Ratingagentur Fitch zu den Konjunkturaussichten in den USA. Sie sieht neben dem Abschwung in Europa die aggressive Straffung der Fed als Grund für eine Rezession in den USA im nächsten Jahr. "Die verzögerten Auswirkungen der aggressiven Straffung der Fed, der Druck auf die Reallöhne durch die hohe Inflation und die Auswirkungen des Abschwungs in Europa werden die US-Wirtschaft im nächsten Jahr in die Rezession treiben - die Arbeitslosenquote wird Ende 2023 auf 4,7 Prozent steigen und 2024 einen Höchststand von 5,3 Prozent erreichen", hieß es in einer Notiz.
Bankaktien (NASDAQ:KBWB) gelten als besonders anfällig gegenüber einem Konjunktureinbruch. So ist der KBW Bank Index im Zuge der wieder aufkeimenden Rezessionsängste seit Anfang Dezember um mehr als 7 Prozent gefallen, der S&P 500 dagegen nur um 3,5 Prozent.
Der Index enthält nicht nur Werte wie Bank of America (NYSE:BAC), Wells Fargo (NYSE:WFC), Citigroup (NYSE:C) und JPMorgan (NYSE:JPM), sondern auch kleinere regionale Banken wie KeyCorp (NYSE:KEY), Huntington Bancshares (NASDAQ:HBAN) und Regions Financial (NYSE:RF). Weshalb ist das relevant? Weil Regionalbanken der Motor der heimischen Wirtschaft sind. Wenn sie ins Stocken geraten, signalisiert dies potenzielle Probleme für die Gesamtwirtschaft, insbesondere weil die US-Wirtschaft stark konsumgetrieben ist. Regionalbanken (NYSE:KRE) profitieren zwar in der Regel stark vom hiesigen Kreditgeschäft. Ein Risiko sind jedoch zunehmende Kreditausfälle im Falle einer Rezession. Noch sind die Verzugsquoten recht niedrig, haben aber im Konsumbereich bereits die Talsohle erreicht und zeigen seit dem ersten Quartal 2022 nach oben.
In diesem Sinne sollten gerade Bankaktien in den nächsten Wochen im Auge behalten werden, um zu beurteilen, wie akut die Rezessionsrisiken wirklich sind; letztlich steigen mit ihnen die allgemeinen Risiken für die Unternehmensgewinne, was für den Gesamtmarkt über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten normalerweise kein gutes Zeichen ist.
Quelle: Yardeni Research
von Robert Zach
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