von Robert Zach
Investing.com - EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sieht angesichts einer starken Inflation und enorm gestiegener Energiepreise ein erhöhtes Rezessionsrisiko für den Euroraum. Eine Rezession sei jedoch nicht unvermeidlich, sagte er nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Prag.
Die jüngsten Konjunkturindikatoren deuten auf eine Verlangsamung der Wirtschaftsdynamik hin, sagte Gentiloni, der die Verlangsamung auf die hohen Energiepreise zurückführte.
Gestern hatte der italienische Politiker in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gesagt, die Europäische Union müsse im Falle einer Zuspitzung der Wirtschaftskrise über neue Konjunkturprogramme nachdenken. "Die aktuelle Inflation wird unsere Wirtschaft in Turbulenzen stürzen, und der kommende Winter könnte einer der schlimmsten in der Geschichte werden", resümierte der Kommissar.
Die hohe Teuerung von 9,1 Prozent schlägt sich bereits auf zahlreiche Konjunkturindikatoren nieder, was es für die EZB in einem wandelnden Wachstumsumfeld noch schwieriger macht, die Leitzinsen merklich zu erhöhen. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex für die Eurozone fiel im August sogar weiter unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Eine derartige Entwicklung korrespondiert mit einer Schrumpfung des BIP. Im Dienstleistungssektor lässt der Wiedereröffnungseffekt nach, nicht zuletzt aufgrund sinkender Realeinkommen, während sich das verarbeitende Gewerbe weiterhin in einer schwachen Verfassung befindet.
Besonders die deutsche Industrie tut sich schwer. Im Juli war die Produktion (ohne Baugewerbe) gegenüber dem Vormonat rückläufig. Davon betroffen waren vor allem energieintensive Branchen wie die chemische Industrie. Die Lieferengpässe lassen zwar allmählich nach, bleiben aber akut. Für die deutsche Wirtschaft zeichnet sich laut Ifo-Erwartungsindex ein starker BIP-Rückgang ab.
Nach der Herbstprognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr noch um 1,4 Prozent wachsen (Prognosesenkung um 0,7 Prozentpunkte gegenüber der Sommerprognose), im nächsten Jahr erwartet das Institut jedoch einen Rückgang des BIP um 0,7 Prozent. Das sind 4 Prozentpunkte weniger als in der vorherigen Prognose.
Hauptursache für den düsteren Ausblick sind die hohen Energiepreise, die "mit voller Wucht" energieintensive Produktionszweige und konsumnahe Wirtschaftsbereiche treffen werden, wie der Vizepräsident und Leiter der Wirtschaftsforschung am IfW Kiel, Stefan Kooths, prognostizierte.