Berlin, 06. Mai (Reuters) - Als Konsequenz des Verfassungsgerichtsurteils zu den Staatsanleihenankäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) fordert der FDP-Finanzexperte Florian Toncar eine stärkere Aufsicht auch durch den Bundestag. Dort sei ein Sondergremium denkbar, sagte der Bundestagsabgeordnete am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. "Mandat und Governance der EZB gehören auf die Agenda der europäischen Regierungschefs und der deutschen EU-Ratspräsidentschaft." Er forderte einen Abstimmungsmodus in der EZB nach Kapitalanteilen, die Trennung von Geldpolitik und Fiskal/Wirtschaftspolitik, eine Großkreditgrenze zur Begrenzung von Anleihekäufen sowie schärfere Bedingungen für die Gewährung von Banken-Nothilfe (ELA).
Die Unabhängigkeit der EZB sieht Toncar durch diese Forderungen aber nicht berührt. "Je unabhängiger eine Institution ist, desto klarer muss ihr Mandat und ihr Instrumentenkasten definiert sein, um Machtmissbrauch zu verhindern", sagte der FDP-Politiker. Der Kontrollumfang eines Parlaments wie auch eines Verfassungsgerichts könne sich daher nur auf Einhaltung der Grenzen des Mandats der EZB, aber nicht auf Handeln innerhalb des Mandats beziehen. Es gehe ihm nicht um die Kontrolle der Geldpolitik an sich. "Die Grenzen des Mandats muss aber eine andere Instanz kontrollieren als die EZB selbst."
"Im übrigen muss man doch heute in Wirklichkeit die Frage stellen, wer die Unabhängigkeit der Politik von den Entscheidungen der EZB schützt und nicht umgekehrt", sagte Toncar weiter. Es könne nicht richtig sein, dass demokratisch verantwortliche Parlamente und Regierungen sich gegen eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden der Euro-Staaten entschieden, "die EZB aber ohne demokratisches Mandat über Anleihekäufe durch die Hintertür exakt dieses Ergebnis herbeiführt".
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Dienstag die billionschweren Aufkäufe von Staatsanleihen der Euro-Länder durch die Notenbank als teilweise verfassungswidrig eingestuft.