Investing.com - Der Ölpreis könnte in diesem Sommer die 150-Dollar-Marke erreichen, meint Jeff Gundlach, Gründer und CEO von DoubleLine Capital, der als Erbe des Bondkönigs Bill Gross gilt. Zwar mag dieses Niveau nicht nachhaltig sein, so Gundlach, "aber der Weg des geringsten Widerstandes für die Ölpreise zeigt nach oben".
Unter dem Titel "It's Not Unusual" äußerte sich Gundlach im Rahmen eines Webcasts zu den Aussichten für die Rohstoff- und Aktienmärkte sowie zu einer möglichen Reaktion der Fed auf eine drohende Rezession in den USA.
Gundlach entschied sich für den Titel, "weil es nicht unüblich ist, dass sich die Märkte ungewöhnlich verhalten", wie er von Advisor Perspectives zitiert wurde.
Doch wäre es gar nicht so ungewöhnlich, wenn US-Öl 150 Dollar je Barrel erreichen würde. Im Jahr 2008, zur Zeit der großen Finanzkrise, hatte WTI mit 140 Dollar seinen Höchststand erzielt. Inflationsbereinigt wären das heute mehr als 150 Dollar. Derzeit werden für ein Barrel WTI rund 118 Barrel fällig.
Die reale Fed Funds Rate sei mit -749 Basispunkten höchst ungewöhnlich. Sobald aber die Inflation zurückgeht, was seiner Einschätzung nach in der zweiten Jahreshälfte der Fall sein wird, steigt auch der reale Leitzins, vorausgesetzt, die Fed erhöht die Leitzinsen weiter.
Mit 8,6 Prozent erreichte der Verbraucherpreisindex im Mai den höchsten Stand seit rund 40 Jahren. Zur Bekämpfung der Inflation erhöhte die Federal Reserve ihren Leitzins bereits im März (+25 Basispunkte) und im Mai (+50 Basispunkte). Am Mittwoch diese Woche soll der nächste Zinsschritt um 50 Basispunkte nach oben folgen.
Die Inflation war ein zentrales Thema in Gundlachs Vortrag. Sie werde größtenteils durch übermäßige Staatsausgaben genährt, einschließlich eines "ungeheuerlichen Anstiegs" des Defizits und der Stimulus-Programme.
"Wir gehen davon aus, dass die Inflation im Laufe des Jahres zurückgehen wird", sagte er, "aber es ist fraglich, ob sie danach auch noch weiter sinken wird." Für 2022 rechnet er mit einer durchschnittlichen VPI-Inflation von 6 Prozent.
Nach einem kleinen Pullback im Schlussquartal letzten Jahres befänden sich Rohstoffe in diesem Jahr "auf einem Höhenflug", so der Experte. Laut Gundlach befinden sich Rohstoffe in einer langfristigen Hausse. Der Lebensmittelkonsum im Inland sei um 11 Prozent und im Ausland um 7,2 Prozent gestiegen. Der Krieg in der Ukraine ist seiner Meinung nach zumindest für den Preisanstieg bei Weizen und Gerste verantwortlich.
Rohstoffe seien eine weitaus bessere Anlage als Aktien, meint Gundlach. Der Rohstoffzyklus werde sich fortsetzen. Sobald der Zyklus umschlägt, wie es Anfang dieses Jahres der Fall war, werden Rohstoffe Aktien um 800 Prozent outperformen.
Der S&P 500 sieht sich gegenwärtig starkem Gegenwind durch die quantitative Straffung (QT), Zinserhöhungen und vor allem steigende Realzinsen ausgesetzt, sagte er.
Viele langfristige Trends hätten sich umgekehrt, darunter die Outperformance von Value (NYSE:IVE) gegenüber Growth (NYSE:IVW), von US-Aktien gegenüber Nicht-US-Aktien, des Nasdaq gegenüber dem S&P 500 und von Europa gegenüber den USA - trotz des starken Dollars. Die USA performen weiterhin besser als die Schwellenländer, sagte er, und das wird auch so bleiben, bis der Dollar beginnt zu fallen.
"Das sollte wegen des Haushaltsdefizits geschehen", sagte er.
Wenn der Dollar unter 100 fällt, was etwa 4 Prozent unter seinem derzeitigen Stand liegt, "dann würde ich ihn sehr negativ einschätzen", sagte er. Kurse von unter 80 Dollar sind für ihn durchaus möglich.
Gundlach wurde auch zu den jüngsten Äußerungen von JP-Morgan-Chef Jamie Dimon befragt, der die Investoren vor einem "Hurrikan" für die US-Wirtschaft warnte, und von Tesla (NASDAQ:TSLA)-Chef Elon Musk, der sagte, er habe "ein superschlechtes Gefühl", was die Wirtschaft angeht.
Rezessionen sind unvermeidlich, so Gundlach, und "es ist nur eine Frage der Zeit". Eine Rezession wird "wahrscheinlich im Jahr 2023 kommen".
Die Reaktion der Fed und der Administration werde darin bestehen, die Zinssätze wieder zu senken und/oder noch mehr Geld zu drucken, sagte er. "Wir werden diese Techniken noch einmal ausprobieren", glaubt er, "deshalb bin ich langfristig negativ für den Dollar."