Ankara (Reuters) - Schwache Währung, hohe Inflation, Rezession: Der neue türkische Finanzminister Lütfi Elvan verspricht angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen in seinem Land marktfreundliche Reformen.
Das Umfeld für heimische und ausländische Investoren solle verbessert werden, kündigte Elvan am Dienstag in seiner ersten Rede nach seiner Vereidigung an. Die Wirtschaftspolitik müsse “transparenter, vorhersehbarer” werden und internationalen Normen entsprechen, um Wachstum und Beschäftigung zu steigern. Als Beispiel wurde die Steuerpolitik genannt. Auch der hohen Inflation, die die Realeinkommen der Türken drückt, sagte der neue Minister den Kampf an. Er war erst in der Nacht von Präsident Recep Tayyip Erdogan ernannt worden, dessen Schwiegersohn Berat Albayrak am Sonntag überraschend von diesem wichtigen Posten zurückgetreten war. Er gab dafür gesundheitliche Gründe an.
Nach den Worten von Erdogan steht der Türkei ein steiniger Weg aus der Wirtschaftskrise bevor. “Wir befinden uns in einem historischen Kampf gegen diejenigen, die die Türkei durch die Fesseln der Zinssätze, der Devisenkurse und der Inflation zu einer neuzeitlichen Kapitulation zwingen wollen”, sagte der Präsident. Sein Land werde die Hindernisse aus dem Weg räumen, um Wirtschaftswachstum, Exporte und Beschäftigung zu steigern.
Die türkische Lira ging nach der Ernennung Elvans - der früher stellvertretender Regierungschef war - wieder auf Sinkflug. Der politische Umbruch begann bereits am Samstag, als der Zentralbankchef durch den ehemaligen Finanzminister Naci Agbal ersetzt wurde. Laut Insidern wird der geschasste Notenbankchef Murat Uysal für den Niedergang der Landeswährung Lira mitverantwortlich gemacht, die dieses Jahr mehr als 27 Prozent abgewertet hat. Keine Währung eines Schwellenlandes ist im Coronajahr 2020 schlimmer unter die Räder gekommen. Unter Agbals Leitung hatte die Zentralbank zuletzt den Schlüsselzins bei 10,25 Prozent belassen. Höhere Zinsen könnten die Lira wieder attraktiver machen und den Kursverfall stoppen. Allerdings hat sich Erdogan wiederholt als “Zinsfeind” bezeichnet. Er will lieber mit billigem Geld die Konjunktur anschieben, etwa den Bau. Der Türkei droht wie den meisten anderen Ländern wegen der Corona-Krise ein schweres Rezessionsjahr.
Analysten von Goldman Sachs (NYSE:GS) und der TD Bank erwarten nun eine Erhöhung der Zinsen um mindestens sechs Prozentpunkte. Die nächste reguläre Zinssitzung der Notenbank steht am 19. November an. Im Regierungsapparat in Ankara sind offenbar große Hoffnungen mit der Ernennung Agbals verbunden. Der mit den Märkten gut vertraute Notenbankchef mit seinem engen Draht zu Erdogan könne helfen, die Wirtschaft aus der Krise zu führen. Agbal steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die Inflationsrate hat zweistellige Prozentwerte erreicht und sorgte damit für Druck auf die Lira. Auch die stark geschmolzenen Währungsreserven des Landes haben deren Talfahrt beschleunigt.