Investing.com - Die Renditen von US-Staatsanleihen steigen nach der Rede von Fed-Präsident Jerome Powell auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise. Gleichzeitig fallen die Aktienkurse. Auch der Rohölpreis steigt, da die USA ihre strategischen Ölreserven aufstocken. Und in Großbritannien sind die Einzelhandelsumsätze im September eingebrochen.
1. Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen klopft an die 5 %-Marke
Fed-Chef Jerome Powell hat gestern in einer Rede vor dem New York Economic Club die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen offen gelassen. Grund dafür sei die deutlich robuster als erwartete Konjunktur. Er verwies aber auch auf aufkommende Risiken und die Notwendigkeit, weiterhin vorsichtig zu agieren.
„Eine Reihe alter und neuer Unsicherheiten erschweren unsere Aufgabe, das Risiko einer zu starken Straffung der Geldpolitik gegen das Risiko einer zu schwachen Straffung abzuwägen“, sagte er.
„Wir werden unsere Entscheidungen ... auf der Grundlage aller verfügbaren Daten, der sich entwickelnden Aussichten und der Abwägung der Risiken treffen“.
Nach seiner Rede stiegen die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen kurzzeitig auf 5 %, ein Niveau, das zuletzt 2007 erreicht worden war. Im Gegensatz dazu gaben die Aktienmärkte nach, wobei der breit gefasste S&P 500 mit einem Minus von 0,9 % der größte Tagesverlierer war.
Der jüngste Renditeanstieg bei langfristigen Anleihen deutet darauf hin, dass sich der Markt mit dem Gedanken anfreundet, dass die Zinsen noch länger auf einem höheren Niveau verharren werden.
In naher Zukunft dürften die Anleiherenditen auch nicht wesentlich zurückgehen. Schließlich kann das Angebot an US-Staatsanleihen nur steigen, wenn US-Präsident Joe Biden zusätzliche Milliarden Dollar für die Unterstützung Israels und der Ukraine ausgibt.
Der Renditeanstieg in den USA hatte auch Auswirkungen auf andere Märkte. So intervenierte die Bank of Japan heute zum fünften Mal in diesem Monat am japanischen Bondmarkt, nachdem die 10-Jahres-Rendite auf ein neues 10-Jahres-Hoch geklettert war.
2. US-Futures rauschen nach Powell-Rede in den Keller
Die Rede von Fed-Präsident Powell hatte direkte Auswirkungen auf die US-Aktien-Futures. Unterm Strich dürfte zum Wochenschluss ein Minus stehen. Sorgen bereiten den Anlegern steigende Anleiherenditen und die möglichen Auswirkungen des Krieges zwischen Israel und der Hamas.
Aktuell verliert der Dow Future 0,1 %, der S&P 500 notiert ebenfalls 0,1 % im Minus und auch der Nasdaq 100 verliert 0,1 %.
Die wichtigsten US-Indizes schlossen gestern durchweg im Minus, nachdem die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen auf ein Niveau gestiegen war, das zuletzt 2007 während der weltweiten Finanzkrise erreicht worden war. Aber auch die Rede von Fed-Chef Powell spielte eine wichtige Rolle bei der negativen Entwicklung an den Börsen. Dieser hatte in einer Rede erklärt, die US-Notenbank werde bei ihren geldpolitischen Entscheidungen „vorsichtig vorgehen“. Zugleich räumte er ein, dass Anzeichen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum eine weitere Straffung der Geldpolitik rechtfertigen könnten.
Ohnehin verlief die bisherige Handelswoche für die Aktienmärkte eher bescheiden, was unter dem Strich zu einem Wochenverlust führt. Zu den größten Verlierern zählten gestern neben dem S&P 500 (-1,2%) vor allem der Nasdaq Composite (-1,7 %). Der Dow Jones Industrial wies hingegen nur ein Minus von 0,8 % auf.
Die Kampfhandlungen im Nahen Osten und die damit verbundene Unsicherheit haben in den letzten Tagen zusätzliche Risiken für die Marktteilnehmer geschaffen.
Für heute stehen keine wichtigen Konjunkturdaten an, allerdings werden die Reden der Fed-Vertreter Loretta Mester und Patrick Harker für Aufmerksamkeit sorgen.
Auf Unternehmensseite werden heute weitere Quartalszahlen veröffentlicht, unter anderem vom Finanzriesen American Express (NYSE:AXP), den Regionalbanken Regions Financial (NYSE:RF) und Comerica (NYSE:CMA) sowie dem Ölfelddienstleister Schlumberger (NYSE:SLB).
3. Britische Einzelhandelserlöse brechen im September ein
Britische Verbraucher kämpfen weiterhin mit steigenden Lebenshaltungskosten. Das schlägt sich auch in den Umsätzen im Einzelhandel nieder.
Die Einzelhandelsumsätze sanken im Vergleich zum Vormonat um 0,9 %. Das geht aus den heute veröffentlichten Daten hervor. Erwartet wurde ein Minus von 0,2 %.
„Die Einzelhändler erklärten den Rückgang im Monatsverlauf mit dem anhaltenden Druck auf die Lebenshaltungskosten, während das für die Jahreszeit untypisch warme Wetter den Verkauf von Herbstkleidung bremste“, so das Office for National Statistics.
Auch die Politik bekommt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu spüren. Die regierende konservative Partei verliert zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung. So gewann gestern die oppositionelle Labour-Partei zwei Nachwahlen, bei denen die große Mehrheit der Konservativen in den Wahlkreisen Tamworth und Mid Bedfordshire Niederlagen einstecken musste.
4. China Evergrande überarbeitet Umschuldungsvereinbarung
Chinas Schuldenkrise im Immobiliensektor hat am Freitag einen weiteren Schritt ins Ungewisse gemacht, nachdem die China Evergrande Group (HK:3333) mitteilte, dass die Bedingungen einer vorgeschlagenen Offshore-Schuldenumstrukturierung überarbeitet worden seien, ohne jedoch Details zu nennen.
Der Umstrukturierungsplan des angeschlagenen Immobilienentwicklers hatte letzte Woche die regulatorischen Anforderungen nicht erfüllt, woraufhin die Anleihegläubiger Bedenken über eine mögliche Liquidation geäußert hatten.
Inzwischen hat auch der Rivale Country Garden (HK:2007) (OTC:{1053961|CTRYY}) die Rückzahlung einer Anleihe in Höhe von 15 Millionen Dollar verpasst, so dass auch hier ein Zahlungsausfall droht.
Bei einem Zahlungsausfall würde der Immobilienentwickler Gefahr laufen, seine ausstehenden Offshore-Anleihen im Wert von fast 11 Milliarden Dollar nicht mehr bedienen zu können.
Dadurch würde sich die Immobilienkrise des Landes vermutlich weiter verschärfen und die Aussichten auf eine nachhaltige Erholung der chinesischen Wirtschaft insgesamt verschlechtern.
5. US-Plan zur Aufstockung strategischer Ölreserven beflügelt Ölpreis
Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen im Nahen Osten und der Pläne der USA, ihre strategischen Ölreserven wieder aufzufüllen, hat der Rohölpreis heute kräftig zugelegt und dürfte die Handelswoche mit einem Plus beenden.
Aktuell notiert US-Rohöl 1,4 % höher bei 89,61 Dollar pro Barrel, während der Brent-Kontrakt 1,3 % auf 93,56 Dollar pro Barrel zulegt.
Beide Kontrakte stehen damit kurz vor der zweiten Gewinnwoche in Folge. Insgesamt stehen Preiszuwächse von 1,5 % bzw. 2,2 % zu Buche. Die schockierende Meldung über eine Explosion in einem Krankenhaus in Gaza in dieser Woche und die erwartete Bodeninvasion der israelischen Armee haben die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts in der ölreichen Region verstärkt.
Auch die Nachricht, dass US-Präsident Biden die stark beanspruchten strategischen Ölreserven der USA wieder auffüllen will, sorgte für Bewegung am Markt.
Das US-Energieministerium hat gestern zwei separate Angebote für den Kauf von Rohöl in Höhe von insgesamt 6 Millionen Barrel vorgestellt, die zwischen Dezember dieses Jahres und Januar 2024 geliefert werden sollen.
Die US-Regierung hatte seit Anfang 2022 rund 200 Millionen Barrel aus der strategischen Erdölreserve des Landes entnommen. Damit erreichte diese den niedrigsten Stand seit fast 40 Jahren.