PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Nach dem jüngsten Kursrutsch haben sich die europäischen Börsen am Dienstag etwas stabilisiert. Die weiter bestehenden Inflations- und Konjunktursorgen standen einer Trendwende allerdings im Weg.
Der EuroStoxx 50 schaffte es zwar zeitweise in positives Terrain, schloss dann aber 0,16 Prozent tiefer bei 3652,52 Punkten. Für den französischen Cac 40 ging es um 0,26 Prozent auf 6362,02 Zähler nach unten, während der britische FTSE 100 0,61 Prozent auf 7488,11 Punkte verlor.
"Wir glauben, dass es sich bei der Kurserholung der letzten Wochen um eine Bärenmarktrally handelt", so Anlagestratege Bernd Hartmann von der VP Bank. "Die Erholung dürfte daher nicht geradlinig weiter verlaufen. Weitere Rückschläge sind wahrscheinlich und die Kursschwankungen dürften zunehmen."
Die düstere Lage unterstrichen neue Wirtschaftsdaten aus der Eurozone. So hat sich die Unternehmensstimmung im August weiter eingetrübt. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global fiel auf den tiefsten Stand seit anderthalb Jahren. Er lag außerdem den zweiten Monat in Folge unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten, die zwischen Wirtschaftswachstum und Schrumpfung trennt. Dass Analysten einen noch etwas deutlicheren Rückgang befürchtet hatten, dürfte ebenso wenig für Beruhigung sorgen wie die überraschend ein wenig verbesserte Verbraucherstimmung nach einem historischen Tiefstand.
"Es stehen schwierige Zeiten bevor", prognostizierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. "Der konjunkturelle Abschwung beschränkt sich aber keineswegs nur auf Europa - auch die USA und China sind betroffen. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen schlagen erst jetzt richtig ins Kontor."
Die jüngsten Daten aus den USA untermauerten Gitzels Aussagen. Dort verschlechterte sich die Stimmung im Dienstleistungssektor im August überraschend deutlich. Auch der Einkaufsmanagerindex für die Industrie blieb mit einem moderaten Rückgang hinter den Erwartungen zurück. Zudem fielen die Verkäufe neuer Häuser im Juli deutlich stärker als von Analysten prognostiziert.
Im europäischen Branchenvergleich gerieten am Dienstag die zuletzt erholten Aktien von Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich am stärksten unter Druck: Der Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 verlor 1,7 Prozent. Fast ebenso schwach präsentierte sich der Index der Medienkonzerne .
Dagegen setzte der Index der Ölunternehmen seinen Höhenflug fort: Er setzte sich dank steigender Ölpreise mit einem Plus von über drei Prozent an die Spitze des Branchentableaus. Marktbeobachter verwiesen auf Aussagen des saudi-arabischen Energieministers Abdulaziz bin Salman, der eine mögliche Verringerung der Ölförderung durch das Ölkartell Opec+ angedeutet und damit die jüngsten Kursverluste bei den Ölpreisen gestoppt hatte. "Möglicherweise will Saudi-Arabien für den Fall vorbauen, dass die USA einer Wiederauflage des Atomabkommens dem Iran zustimmen und diesem damit die Rückkehr an den Ölmarkt erlaubt wird", vermuteten die Rohstoffanalysten der Commerzbank (ETR:CBKG).
Der Index der europäischen Rohstoffkonzerne schaffte einen Kursanstieg von gut zweieinhalb Prozent. "Die Industriemetalle erhielten zu Beginn der Woche etwas mit Rückenwind aus China, wo eine weitere Drosselung der Metallproduktion droht", hieß es dazu von der Commerzbank. "So hat die Region Sichuan, die zur Energieerzeugung im Wesentlichen von Wasserkraft abhängig ist, aufgrund der anhaltenden Dürre Notfallmaßnahmen zur Stromrationierung beschlossen."
Derweil setzten die Papiere von Zur Rose (SIX:ROSEG) ihre Talfahrt mit einem Minus von 6,7 Prozent fort. Die Turbulenzen für die Online-Apotheken vom Vortag wegen der Absage Schleswig-Holsteins an die dort geplante E-Rezept-Testphase sind noch nicht ausgestanden, wie auch der ähnlich klare Kursrutsch der deutschen Konkurrentin Shop Apotheke (ETR:SAEG) zeigte.
Besser schlugen sich die Aktien von Flughafen Zürich mit einem Plus von über drei Prozent. Das Unternehmen hatte sich im ersten Halbjahr 2022 weiter von der Corona-Krise erholt. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 73 Prozent - zum Vorkrisenniveau fehlen damit noch gut 20 Prozent.