PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Aus den USA überschwappende Konjunktur- und Inflationssorgen haben am Freitag an den wichtigsten europäischen Börsen einen Kursrutsch ausgelöst. In Mailand herrschte sogar eine regelrechte Ausverkaufsstimmung. Aus Branchensicht flohen Anleger europaweit vor allem aus Bank- und Rohstoffaktien . Diese Sektoren könnten unter einem wirtschaftlichen Abschwung besonders leiden.
Der italienische Leitindex FTSE MIB brach um 5,17 Prozent auf 22 547,48 Punkte ein und fiel damit auf das Niveau von Anfang März zurück. Der EuroStoxx 50 als Börsenbarometer der gesamten Eurozone büßte 3,36 Prozent auf 3599,20 Punkte ein. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Minus von 4,88 Prozent.
Für den französischen Leitindex Cac 40 ging es am Freitag um 2,69 Prozent auf 6187,23 Punkte abwärts. Der britische FTSE 100 verlor 2,12 Prozent auf 7317,52 Zähler. In Madrid knickte der Ibex 35 um 3,68 Prozent ein.
Die Inflationsrate in den USA kletterte im Mai auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Die Verbraucherpreise stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent. Volkswirte hatten im Schnitt eine unveränderte Inflationsrate von 8,3 Prozent erwartet. Zudem fiel die Stimmung der US-Verbraucher im Juni auf ein Rekordtief. Hintergrund ist die hohe Teuerung.
"Nachdem die US-Inflationsrate im April gesunken war, hatten die Spekulationen zugenommen, dass damit der Hochpunkt überschritten ist", schrieb Analyst Christoph Balz von der Commerzbank (ETR:CBKG). Mit dem erneuten Anstieg habe sich dies nun erledigt. Die Details der aktuellen Zahlen zeigten vielmehr, dass der Inflationsdruck breit angelegt bleibe.
"Die jüngsten Daten zeigen, dass die US-Notenbank Fed die Inflationsdynamik offensichtlich nicht im Griff hat", ergänzte Marktexperte Timo Emden von Emden Research. Die Investoren fürchteten nun, dass die Fed schneller als bislang angenommen an den Zinsschrauben drehen könnte, um die Inflation einzudämmen.
Europaweit litten Bankaktien (NASDAQ:KBWB) am stärksten mit einem Abschlag von 4,8 Prozent unter den Konjunktursorgen. Anleger befürchten, dass die Notenbanken angesichts der immer weiter steigenden Teuerung zu einem noch strafferen geldpolitischen Kurs tendieren könnten - mit größeren Zinsschritten als bisher angenommen. Zwar gelten Banken als Nutznießer steigender Zinsen, doch kann andererseits eine zu harte Geldpolitik das Wirtschaftswachstum abwürgen und auch die Kreditnachfrage bremsen.
In Südeuropa stiegen die Renditen im Vergleich zu denen von Bundesanleihen zuletzt deutlich stärker. Experten warnen vor unterschiedlich stark steigende Renditen in den einzelnen Euroraum-Ländern und vor einem Auseinanderdriften der Finanzierungsbedingungen - und erinnern an die Eurokrise.
Die Konjunktursorgen waren vor allem an der Börse in Mailand spürbar. Dort brachen die Aktien der Banken Unicredit (BIT:CRDI) , Fincobank , Banco BPM und Bper Banca um 9 bis 13 Prozent ein.
In Zürich belasteten darüber hinaus abflauende Übernahmespekulationen die Anteilscheine von Credit Suisse (SIX:CSGN) , die um 5,7 Prozent absackten. Zuvor hatte der US-Finanzkonzern State Street (NYSE:STT) Gerüchte über eine angepeilte Übernahme der Großbank zurückgewiesen.
Die Aktien des Essenslieferanten Just Eat Takeaway.com (AS:TKWY) schnellten nach erneuten Übernahmespekulationen in Amsterdam um 5,7 Prozent nach oben. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtete, sind Finanzinvestoren wie Apollo Global Management an der US-Tochter Grubhub interessiert.