* Erstmals spielen Politiker der einst verfeindeten Staaten zusammen
* Lockerungsübung vor der Westbalkan-Konferenz
- von Andreas Rinke
Wien, 26. Aug (Reuters) - "Enger, enger." Die Fotografen und Kameraleute dirigieren die Männer in den weißen und blauen Trikots vor ihnen. Dann rücken diese unter dem Flutlicht im Stadion des Wiener Fußballklubs Austria immer weiter zusammen für das Gruppenfoto - es soll schließlich politische Symbolkraft haben. Denn in der lauen Sommernacht in der österreichischen Hauptstadt gibt es eine absolute Premiere: Erstmals spielen Regierungsmitglieder der acht früher verfeindeten Westbalkan-Staaten zusammen gegen ein hochkarätiges EU-Team. "Vor fünf, sechs Jahren wäre das unmöglich gewesen," schwärmt der junge österreichische Außenminister Sebastian Kurz, der mit der Nummer 2 im Team "EU" aufgelaufen ist und die Idee zu dem Spiel gegen das Team "Future EU" hatte.
Einen Tag vor der West-Balkankonferenz in der Wiener Hofburg ist eine besondere "Soft-Diplomatie" angesagt, bevor es dann am Donnerstag um schwierige Fragen wie Flüchtlingskrise oder die Gasversorgung gehen wird. Und diese "Soft-Diplomatie" scheint sich nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland zu einer Spezialität zu entwickeln. Denn erst am Dienstag hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den deutschen Botschaftern in Berlin erzählt, wie trickreich man die verfeindeten Bürgerkriegsparteien Libyens zusammengebracht hatte - indem man sie erst in ein Flugzeug und dann kurzerhand für ein Abendessen auf einen Spree-Dampfer gesetzt hat, ohne die Aussicht des Entrinnens.
Nun folgt die österreichische "Fußball-Diplomatie". Also spielen Ministerpräsidenten und Außenminister , die sich sonst nur in schwarzen Anzügen begegnen, in dem Austria-Stadion, in dem sonst der Dritte der österreichischen Ersten Liga vor 13.500 Zuschauern spielt. Denn obwohl alle Länder des Westbalkan in die EU wollen, sind die Kontakte zwischen ihnen unterentwickelt. Deshalb hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr diese Westbalkan-Konferenz initiiert, die nun zum zweiten Mal stattfindet.
Zum Schiedsrichterteam gehört in Wien ausgerechnet EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. "Das ist prima - es lockert die Stimmung", freut sich der mazedonische Ministerpräsident Nikola Gruevski. Neben ihm steht auf dem grünen Rasen der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic, der zwar nichts von Fußball versteht und deshalb nicht mitspielt, aber trotzdem gekommen ist.
Denn gerade der Serbe weiß, dass in kaum einer anderen Region Fußball auch so sehr Symbol für hasserfüllten Nationalismus ist wie auf dem Westbalkan. Erst am 14. Oktober 2014 musste das Europameisterschafts-Qualifikationsspiel in Belgrad abgebrochen werden, nachdem eine Drohne mit großalbanischer Flagge, die plötzlich über dem Spielfeld kreiste, eine Massenschlägerei zwischen den Mannschaften ausgelöst hatte. Spiele zwischen den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Serbien und Kroatien sind immer spannungsgeladen.
Aber davon ist am Mittwochabend im Austria-Stadion überhaupt nichts zu spüren. Vielmehr klopft etwa der albanische Ministerpräsident Edi Rama dem serbischen Torhüter und Energieminister Aleksandar Antic erleichert auf die Schulter, als dieser wieder einmal eine Angriffswelle der EU-Mannschaft abwehrt. Als Gruevski gleich zwei Tore schießt, bricht der kleine mazedonische Anhang auf der Tribüne ebenso in Jubel aus wie bei den Abwehrparade des serbischen Energieminister. Der erntet Gelächter, als er dem Mazedonier spaßhaft zuruft: "Ich weiß, du bist Ministerpräsident, aber laufen musst du schon ein bisschen." Dann folgen Tore des kosovarischen Europa-Ministers - und fertig ist die erste Gemeinschaftsleistung der Konferenz.
Dass es am Ende nicht auf Ergebnis (4:2 für "future EU") ankommt, ist allen klar. Serbiens Ministerpräsident Vucic hatte schon vor dem Spiel sehr weise auf die Frage geantwortet, wer gewinnt: "Auf jeden Fall Europa." Und als weiser Gastgeber verzichtete Österreichs Außenminister Kurz sogar darauf, selbst ein Tor zu schießen.
(Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern +49 69 7565 1231 oder +49 30 2888 5168.)