KIEW/DONEZK (dpa-AFX) - Nach zähen Gasverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Brüssel ohne endgültige Einigung sucht die Regierung in Kiew nach Wegen für die Gasversorgung im Winter. Für die bevorstehende kalte Jahreszeit werde voraussichtlich ein Viertel weniger Energie zum Heizen benötigt als im Vorjahr, sagte Sergej Pereloma vom Staatskonzern Naftogaz bei einer Regierungssitzung in Kiew. Demnach veranschlagt der Konzern knapp 27 Milliarden Kubikmeter Gas, um über den Winter zu kommen. Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte, ein Großteil befinde sich bereits in Speichern.
Die Energieminister Russlands und der Ukraine, Alexander Nowak und Juri Prodan, hatten am Dienstag in Brüssel "wichtige Fortschritte" im Gasstreit erreicht, wie EU-Energiekommissar Günther Oettinger nach stundenlangen Verhandlungen sagte. Fest steht demnach für die Ukraine ein Preis von 385 Dollar (rund 300 Euro) je 1000 Kubikmeter russisches Gas bis Ende März. Das Gas soll aber nur gegen Vorauskasse geliefert werden. Zudem soll die Ukraine bis Jahresende Teilschulden in Höhe von 3,1 Milliarden Dollar nachzahlen. Offen blieb, wie die Ukraine ihr Gas bezahlen wird.
Eine endgültige Lösung soll am kommenden Mittwoch vereinbart werden. Gazprom-Chef Alexej Miller warnte vor möglichen Gas-Engpässen in der Ukraine, wenn der Winter kälter als erwartet werde. Der Monopolist liefere nur, was Kiew gegen Vorauskasse bestelle, sagte er.
Der Gasstreit mit Russland ist auch Thema im ukrainischen Wahlkampf. An diesem Sonntag wählt das Land ein neues Parlament. Vor wenigen Tagen hatte Präsident Petro Poroschenko medienwirksam den vorzeitigen Beginn der Heizperiode angeordnet. Ursprünglich sollten die Heizungen erst im November zentral eingeschaltet werden.
Die Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ging mit der Forderung eines Nato-Beitritts der eigentlich blockfreien Ukraine auf Stimmenfang. Timoschenko verlangte ein Referendum darüber und sammelte nach eigenen Angaben mehr als drei Millionen Unterschriften. Mehr als 50 Prozent der Ukrainer sind nach der russischen Einverleibung der Halbinsel Krim und dem blutigen Bürgerkrieg im Osten für einen Beitritt zu dem westlichen Verteidigungsbündnis. Russland kritisiert eine Annäherung Kiews an die Nato scharf. Die Nato selbst schließt eine baldige Aufnahme aus.
In der Krisenregion Ostukraine lieferten sich Regierungstruppen und prorussische Separatisten wieder Gefechte. Die Aufständischen warfen der Armee mehr als 40 Verstöße gegen die Anfang September vereinbarte Waffenruhe vor, wie Interfax berichtete. Dem Stadtrat der Separatistenhochburg Donezk zufolge wurde ein Zivilist getötet. Fünf Soldaten wurden nach Angaben des Kiewer Sicherheitsrats verletzt.
Die Bundesregierung forderte Aufklärung des angeblichen Einsatzes von Streubomben durch das Militär in Donezk. Die Armee hatte solche Vorwürfe der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch zurückgewiesen.P/jha