Ich habe eine Leidenschaft für die Geschichten von Investoren, die langfristig äußerst erfolgreich waren. Denn ich denke, dass ich mir einiges von ihnen abschauen kann, um selbst ein besserer Anleger zu werden. Ich war also ganz Ohr, als ich vor Kurzem zum ersten Mal von den Chandler-Brüdern hörte. Die beiden Brüder erzielten nämlich im Zeitraum von 1986 bis 2006 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 36 % und machten somit aus ihrem eingangs investierten Vermögen von 10 Mio. US-Dollar ungefähr 5 Mrd. US-Dollar! Zum Vergleich: Warren Buffett hat langfristig ungefähr eine jährliche Rendite von 20 % erzielt.
Die Geschichte der Chandler-Brüder Die beiden Brüder aus Neuseeland übernahmen ein Familienunternehmen von ihren Eltern, vergrößerten es und verkauften es schließlich 1986 für 10 Mio. US-Dollar. Mit diesem Geld starteten sie ihr Investment-Unternehmen Sovereign Global. Zu dem Zeitpunkt waren sie 26 und 28 Jahre alt.
Im darauffolgenden Jahr, 1987, investierten sie einen Großteil ihres Kapitals in vier Bürogebäude in Hongkong. Zusätzlich nahmen sie noch einen Kredit auf. Der Immobilienmarkt in Hongkong befand sich damals in einer Krise, die Preise waren seit 1981 bereits um ca. 70 % gesunken. Entsprechend schlecht war die Stimmung. Vier Jahre später hatte sich der Immobilienmarkt erholt – die Chandler-Brüder verkauften ihre Gebäude und erzielten einen Gewinn von über 300 %.
Ihr nächstes größeres Investment war Telebras. Das brasilianische Telekommunikationsunternehmen besaß faktisch ein Monopol, der Aktienkurs war jedoch aufgrund einer Hyperinflation in Brasilien extrem abgestürzt. Mit Genehmigung der Regierung investierten die Brüder 75 % ihres Vermögens (30 Mio. US-Dollar) in Anteile des Unternehmens. Die Lage in Brasilien verschlimmerte sich weiter, bevor es aufgrund politischer Reformen wieder aufwärts ging. Nach weniger als drei Jahren veräußerten die Brüder ihre Anteile für mehr als 150 Mio. US-Dollar.
Nach diesem Schema setzte sich die Geschichte der Brüder fort. Sie investierten in russische Energieunternehmen, japanische Banken, einen Ölkonzern in Südkorea und weitere – immer dann, wenn die Bewertung ihrer Meinung nach extrem günstig war. Dabei stiegen die Kurse nicht immer direkt. Der Aktienkurs der Mizuho Financial Group fiel zum Beispiel nach ihrem Einstieg zunächst um 50 %, nur um sich dann in den Folgejahren zu verzehnfachen. So ging das, bis die Brüder im Jahr 2006 getrennte Wege gingen und jeweils eigene Investment-Unternehmen gründeten, die bis heute aktiv sind.
Was wir von den Chandler-Brüdern lernen können Die Brüder sind für mich ein extremes Beispiel für Fokussierung und gegen den Strom schwimmen. Sie suchten weltweit nach interessanten Anlagemöglichkeiten und achteten dabei stark auf die Bewertung. Wenn sie dann eine gute Möglichkeit sahen, investieren sie mit voller Überzeugung. Mehrmals setzten sie praktisch ihr gesamtes Vermögen auf eine Karte. Dabei ließen sich nicht davon beirren, dass der Großteil der Investmentwelt anderer Meinung war. Auch wenn der Kurs ihres Investments zwischenzeitlich abstürzte, hielten sie an ihrer Anlage fest, bis ihre These aufging. Dann verkauften sie und investierten in die nächste interessante Möglichkeit.
Ich traue mir nicht zu, meine Investments so stark wie die Brüder zu konzentrieren. Dennoch ist ihre Geschichte für mich eine schöne Erinnerung daran, dass hohe Konzentrationen in einem Depot auch Vorteile haben. Wer 100 Aktien im Depot hat, tut sich tendenziell schwerer, außergewöhnlich hohe Renditen zu erzielen. Weiterhin nehme ich mit, dass es sich lohnen kann, abseits des Mainstream nach Anlagemöglichkeiten zu schauen, auf die Bewertungen zu achten und nicht zu verkaufen, nur weil der Kurs zwischenzeitlich fällt.
Hendrik Vanheiden besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2022