FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt haben die Anleger zum Wochenbeginn wieder Zuversicht gewonnen. Nachdem zunächst noch der sich anbahnende Handelskonflikt mit den USA für trübe Stimmung gesorgt hatte, überwog nun die Erleichterung über die Neuauflage der großen Koalition in Deutschland. Der deutsche Leitindex Dax (DAX) machte frühe Verluste wett und stieg bis zum Mittag um 0,92 Prozent auf 12 023,45 Punkte.
Mehr als fünf Monate nach der Bundestagswahl hatte die SPD mit überraschend großer Mehrheit den Weg für eine neue große Koalition frei gemacht. 66 Prozent der SPD-Mitglieder stimmten nach kontroverser innerparteilicher Debatte einer Fortsetzung des Bündnisses mit der Union unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu. Vor diesem Hintergrund habe nach dem jüngsten Kursrutsch des Dax nun eine Gegenbewegung eingesetzt, sagte Börsenhändler Niklas Breckling von der Düsseldorfer Wertpapierhandelsbank Schnigge. Die jüngste Unsicherheit rund um die Regierungsbildung in Berlin sei Gift für Deutschland gewesen.
In der vergangenen Woche hatte der Dax in Erwartung steigender Zinsen und wegen der Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen einer handelspolitischen Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten einen kräftigen Dämpfer erhalten und rund viereinhalb Prozent nachgegeben. Er rutschte bis an das Tief aus dem August vergangenen Jahres heran.
Auch der MDax (MDAX), in dem mittelgroße deutsche Unternehmen versammelt sind, konnte nach anfänglicher Schwäche am Montag zulegen - er kletterte um 1,12 Prozent auf 25 507,35 Punkte. Der Technologiewerte-Index TecDax (TecDAX) stieg vor allem dank hoher Kursgewinne bei Siltronic (4:WAFGn) gar um 2,10 Prozent auf 2534,64 Zähler. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) verbuchte ein Plus von rund 0,5 Prozent.
Trotz des Kursanstiegs am Morgen halten viele Marktbeobachter die jüngste Talfahrt für noch nicht ausgestanden. Die Anleger blieben wegen des möglichen Handelskonflikts mit den USA in Hab-Acht-Stellung, so Marktanalyst Michael Hewson von CMC Markets UK. Auch wegen der unklaren Lage nach den Wahlen in Italien dürfte die Nervosität an den Märkten für den Moment nicht nachlassen, schrieb Marktanalyst Milan Cutkovic vom Handelshaus Axitrader. Dort sieht es ebenfalls nach einer längeren Regierungsbildung aus.
Nach der Ankündigung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium goss zudem US-Präsident Donald Trump am Wochenende weiter Öl ins Feuer. Er drohte den Europäern nun auch mit Strafabgaben für Import-Autos, sollten diese ihrerseits mit höheren Zöllen auf US-Produkte antworten.
Befürchtet wird vor allem ein Nachteil für deutsche Autobauer, die zuletzt Marktanteile in den USA gewonnen hatten. Entsprechend besorgt reagierten die Anleger. Aktien des Münchener Herstellers BMW (4:BMWG), der wahrscheinlich am stärksten betroffen wäre, fielen um 0,76 Prozent. Daimler-Papiere (4:DAIGn) hingegen gaben nur moderat nach, während die Vorzugsaktien von Volkswagen (DE:VOWG) (VW) (4:VOWG_p) sogar etwas zulegten.
Der Waferhersteller Siltronic überzeugte die Anleger vor allem mit einem überraschend guten Margenausblick. Die Papiere schossen mit einem Aufschlag von 11 Prozent an die TecDax-Spitze. Im Kielwasser dessen legten die im MDax notierten Papiere von Wacker Chemie (4:WCHG) um fast 3 Prozent zu. Wacker Chemie hält noch rund 31 Prozent an der ehemaligen Tochter Siltronic.
Zuversichtliche Äußerungen des Chipentwicklers Dialog Semiconductor (4:DLGS) zu seiner künftigen Geschäftsbeziehung mit dem Großkunden Apple (2:AAPL) stimmten auch die Börsianer positiv: Die Aktien zogen zuletzt um gut 5 Prozent an. Vorstandschef Jalal Bagherli hatte in einem Interview der "Euro am Sonntag" erklärt, Dialog Semiconductor rechne weiterhin damit, dass seine Halbleiter in einem "signifikanten Anteil" der Apple-Geräte für 2019 und 2020 verbaut werden.