Frankfurt, 10. Mrz (Reuters) - Im Fall der geschlossenen Greensill Bank prüfen Anwaltskanzleien erste Klagen von Kommunen. Unter anderem die Finanzaufsicht BaFin und die Wirtschaftsprüfungsfirma Ebner Stolz, die die Bilanzen des Geldhauses geprüft hat, rücken in den Fokus. Die Kanzlei Nieding + Barth ist nach eigenen Angaben bereits für fast zwei Handvoll Gemeinden und Städten aktiv. "Wir prüfen unter anderem, ob es Amtshaftungsansprüche gibt im Hinblick auf eine verspätete Warnung der BaFin", sagte Klaus Nieding zur Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Auch bei der Tübinger Rechtsanwaltskanzlei Tilp gebe es schon einige Anfragen von institutionellen Kunden, darunter zwei Kommunen, wie die Kanzlei erklärte.
Bei einer möglichen Pleite der Greensill Bank sind nur Gelder von Privatanlegern über den Einlagensicherungsfonds des Bankenverbands abgesichert. Zahlreiche Kommunen haben jedoch ebenfalls Einlagen bei dem Bremer Institut getätigt, ihr Geld könnte verloren sein, da der Einlagensicherungsfonds seit Oktober 2017 nicht mehr dafür haftet. Die BaFin hat die Bank vergangene Woche wegen drohender Überschuldung geschlossen.
"Wir müssen jeden Fall einzeln prüfen und rechnen damit, dass wir frühestens in vier Wochen eine Klage vorbereiten können", sagte Nieding. Vielen Kommunen stünden zweistellige Millionenverluste ins Haus. Auch Bürgermeister und Kämmerer suchten nun Rechtsbeistand, um sich für die Geldanlagen zu rechtfertigen. Ebenfalls ins Licht rücken Finanzvermittler, die Kommunen Geldanlagen bei der Greensill Bank empfohlen haben.
Die BaFin erklärte, sie habe bereits 2020 "tatkräftig und entschlossen" gehandelt. Sie dürfe aufgrund ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht Kommunen und andere Anleger nicht über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen informieren. Ein Sprecher von Ebner Stolz sagte, man äußere sich nicht zu Details laufender Mandate. "Selbstverständlich arbeiten wir im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten mit allen beteiligten Behörden zusammen."
"WIR HABEN UNS AUCH AUF DAS RATING VERLASSEN"
Viele Kommunen haben sich nach eigenen Aussagen auch auf das Rating für die Bank verlassen, die mit vergleichsweise hohen Einlage-Zinsen auf Online-Plattformen wie "Weltsparen" in den vergangenen drei Jahren massiv Gelder eingeworben hat. "Wir sind der Ansicht gewesen, dass wir auch ohne Einlagensicherung auf einem sicheren Weg waren mit Einlagen bei Greensill", sagte Axel Imholz, Kämmerer der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, die 15 Millionen bei Greensill angelegt hat. "Wir haben uns auf das Rating verlassen, das ja immer ganz gut war."
Die Ratingagentur Scope hatte Greensill zuletzt mit einer Bonitätsnote von "BBB+" eingestuft, die zwar am unteren Ende des "Investment-Grades" liegt, aber als vergleichsweise sicher gilt. Nachdem die BaFin das Institut geschlossen hat, stellte sie die Bewertung ein. Scope erklärte, nicht über Sonderermittlungen der BaFin informiert worden zu sein. Die Ratinganalyse stütze sich zudem auf die testierten Bilanzen des bewerteten Unternehmens. Für Diskussionen sorgt in dem Zusammenhang auch, dass Maurice Thompson, Aufsichtsratschef der Greensill Bank, seit 2015 im Beirat von Scope sitzt. Dieser Beirat habe mit der Erstellung eines Ratings nichts zu tun, erklärte ein Scope-Sprecher.
Medienberichten zufolge sind bundesweit rund 50 Kommunen von dem Moratorium bei der Greensill Bank betroffen. Wiesbaden will sich nun mit anderen geschädigten Kommunen austauschen und Regressansprüche prüfen. Kämmerer Thomas Fillep von der Stadt Osnabrück, die bei Greensill 14 Millionen Euro im Feuer hat, warf der BaFin vor, ihre Prüfpflicht nicht erfüllt zu haben. Von den bei Greensill angelegten Geldern sind Insidern zufolge etwa 500 Millionen Euro nicht vom Einlagensicherungsfonds abgedeckt.
Mit den Spareinlagen der Greensill Bank wurden zum Teil Geschäfte der britisch-australischen Mutter Greensill Capital garantiert und refinanziert. Die Gesellschaft ist in der Lieferketten-Finanzierung tätig. Sie hat am Montag Insolvenz beantragt und versucht Teile zu verkaufen. (Reporterin: Patricia Uhlig, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 030 2201 33711 für Politik und Konjunktur oder 030 2201 33702 für Unternehmen und Märkte)