Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Deutsche Aktien sind wieder im Bullenmarkt.
Der Leitindex DAX rückte am Montag um fast 0,70 % vor, nachdem die Europäische Kommission Berlin die Erlaubnis erteilt hatte, eine ehemalige Tochter des russischen Gasmonopolisten Gazprom (MCX:GAZP) zu verstaatlichen. Die Entscheidung unterstützt die Bemühungen der größten europäischen Volkswirtschaft, ihren Energiemarkt nach dem durch den von Russland entfesselten Krieg in der Ukraine ausgelösten Chaos wieder in Ordnung zu bringen.
Der DAX steht nun mehr als 20 % über seinen Tiefstständen von Ende September, was der klassischen Definition einer Hausse entspricht. Und das, obwohl es immer klarere Indizien dafür gibt, dass die deutsche Wirtschaft auf dem Weg in eine scharfe Rezession ist. Die Gewinnmargen der Unternehmen leiden und das Verbrauchervertrauen ist durch den drastischen Energiekostenanstieg in diesem Jahr angeschlagen.
Zu den großen Gewinnern am Montag gehörte der Online-Modekonzern Zalando (ETR:ZALG). Die Aktie des Unternehmens konnte ihre Erholung nach den unerwartet guten Zahlen für das dritte Quartal Anfang des Monats fortsetzen, während auch die Titel des Pharmakonzerns Merck KGaA (ETR:MRCG) nach dem Quartalsbericht in der vergangenen Woche weiter zulegten. Merck-Aktien kletterten um 4,5 %, Zalando-Aktien stiegen um 3,8 %.
Unterstützt wird der DAX durch eine kräftige Erholung des Euro. Hintergrund ist, dass die Marktteilnehmer ihre Erwartungen für weitere Zinserhöhungen in den USA nach den niedriger als erwartet ausgefallenen Oktober-Inflationszahlen von letzter Woche zurückgeschraubt haben. Gleichzeitig warnte der Gouverneur der US-Notenbank, Chris Waller, am Wochenende eindringlich davor, dass der Verbraucherpreisindex "nur ein Datenpunkt" sei, und betonte, dass es noch "ein weiter Weg" sei, bis die Fed die Zinsen nicht weiter erhöhen müsse. Der Euro wertete vorige Woche um 4,5 % auf und gab am Montag als Reaktion auf Wallers Kommentar lediglich 0,3 % ab.
Der DAX, der gespickt ist mit namhaften Exporteuren, profitiert in der Regel von einem schwachen Euro, doch in diesem Jahr war dies einfach zu viel des Guten, denn der Fall des Euro auf ein 20-Jahres-Tief hat die Auswirkungen des Preisanstiegs für Öl- und Gasimporte, die in Dollar abgerechnet werden, nur noch verstärkt.
Weitere Impulse für den Euro dürften noch in dieser Woche folgen, wenn die Europäische Zentralbank die vorzeitige Rückzahlung der so genannten TLTRO-Kredite durch die Banken der Eurozone ankündigt - eine Entwicklung, die die finanziellen Bedingungen auf den regionalen Märkten durch den Abzug überschüssiger Liquidität verschärfen wird.
Bis zur letzten EZB-Sitzung bestand für die Banken ein Anreiz, an ihren TLTRO-Mitteln festzuhalten, schließlich handelte es sich dabei um die günstigste verfügbare Finanzierungsquelle, die zu einem Zinssatz von bis zu -1 % vergeben wurde. Die EZB änderte jedoch rückwirkend den Zinssatz, den sie auf diese Kredite erhebt. Sie passte ihn an ihren Einlagensatz an, der nun bei 1,5 % steht.
"Dies wird die TLTRO-Kosten dramatisch - um bis zu 200 Basispunkte - erhöhen", erklärte Frederik Ducrozet, Leiter der Wirtschafts- und Finanzforschung bei Pictet Wealth Management, via Twitter. "Unter der Annahme, dass der Einlagensatz im Jahr 2023 einen Höchststand von 2,50% erreicht, werden die Gesamtkosten der TLTROs ab November 2022 von 12 Milliarden Euro unter den bisherigen Regeln auf über 40 Milliarden Euro ansteigen, wenn die Banken ihre Anleihen bis zur Fälligkeit behalten - ein Anstieg von 30 Milliarden Euro."
Am Freitag waren noch rund 2,113 Billionen Euro an TLTRO-Krediten ausstehend.