- von Jan Schwartz und Klaus Lauer
Kiel/Berlin (Reuters) - Erstmals wird in Deutschland eine Landesbank privatisiert: Die in der Finanzkrise in schwere Not geratene HSH Nordbank soll 15 Jahre nach ihrer Gründung an ein Konsortium um die US-Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers verkauft werden.
Für 94,9 Prozent der Anteile zahlen sie eine Milliarde Euro. Hamburg und Schleswig-Holstein besiegelten den Deal am Mittwoch in einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Kiel. "Wir ziehen einen Schlussstrich unter den Ausflug der Länder in die Geschäftsbankenwelt", sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther. Das Engagement sei "sehr teuer für den Steuerzahler geworden". Der Vertrag ist unterzeichnet. Allerdings muss der Verkauf noch von beiden Landesparlamenten und der EU-Kommission abgesegnet werden.
Die Privatisierung ist eine Auflage aus Brüssel im Gegenzug für staatliche Milliardenhilfen. Bis Ende Februar musste der Eignerwechsel in die Wege geleitet werden, sonst hätte die Abwicklung gedroht. Entsprechend erleichtert zeigten sich die Politiker nun. Nach den Worten von Günther wäre eine Abwicklung des einst weltgrößten Schiffsfinanzierers teurer geworden. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz sprach von einem unerwartet guten Kaufpreis. Der ist jedoch nicht in Stein gemeißelt und könnte noch deutlich geringer ausfallen, wenn sich Käufer und Verkäufer beim Thema Garantien verhakeln.
"BESOFFEN VON DER IDEE SATTER GEWINNE"
Scholz betonte, man ziehe einen Schlussstrich "unter die Fehlentscheidungen, die mit der Expansionsstrategie der Bank zwischen 2003 und 2008 verbunden sind". Die HSH wurde 2003 aus dem Zusammenschluss der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein gegründet und sollte ursprünglich an die Börse gebracht werden. Dank der günstigen Finanzierungsmöglichkeiten saugte sich das Institut vor Auslaufen der sogenannten Gewährträgerhaftung mit Geld voll und steckte vieles davon in sogenannte Kreditersatzgeschäfte - in den US-Immobilienmarkt, komplexe Wertpapiere oder andere riskante Investments. Die frühere Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, sagte dazu einmal rückblickend: "Wir waren damals alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt."
Doch die Finanz- und Schifffahrtskrise traf die Bank mit voller Wucht. Die Länder mussten ihre Bank mit Garantien und Eigenkapital von rund 13 Milliarden Euro vor dem Aus retten. Über Gebühren dafür flossen etwa drei Milliarden Euro zurück. Von den einst rund 5000 Beschäftigten sind noch rund 2000 an Bord - und diese Zahl dürfte Insidern zufolge mittelfristig um rund ein Drittel weiter sinken.
ABGERECHNET WIRD ZUM SCHLUSS
Das Management um HSH-Chef Stefan Ermisch hatte den Abbau von Risiken zuletzt noch einmal beschleunigt und dürfte damit die Chancen für den Deal deutlich erhöht haben. Die Investoren übernehmen die gesamte Bank, lagern aber einen Großteil der faulen Kredite und Schiffsdarlehen aus. Voraussetzung für den Verkauf ist die Beendigung der 2009 übernommenen sogenannten Sunrise-Garantie, mit der die Länder im Umfang von zehn Milliarden Euro für Verluste aus den Altgeschäften der HSH haften. Der Kaufpreis könnte sich verringern, wenn die Länder letztlich weniger als die volle Garantiesumme auszahlen. Der Preis werde aber nicht unter einen Euro fallen, erklärten die Länder. Sollte die Garantie allerdings vorzeitig beendet werden, bekommen die Länder als Ausgleich für entgangene Garantie-Gebühren 100 Millionen Euro. Erst beim sogenannten "Closing" können laut Günther die Verluste der Länder abgeschätzt werden. Nach Angaben der Länder könnten sie sich auf etwa elf bis maximal 14 Milliarden Euro belaufen.
Außer Cerberus (erwirbt 40,33 Prozent) und J.C. Flowers (33,21) sind der US-Investor Golden Tree (11,86), die britische Centaurus Capital (7,12) sowie die österreichische Cerberus-Tochter Bawag (2,37) am Deal beteiligt. Flowers hielt bereits vor der Übernahme gut fünf Prozent an der HSH. Auch der Finanzinvestor Cerberus ist in Deutschland kein Unbekannter: Das Unternehmen war im Sommer mit fünf Prozent bei der Commerzbank (DE:CBKG) eingestiegen und hält seit November auch drei Prozent an der Deutschen Bank (DE:DBKGn).
Eine der Verkaufsbedingungen ist auch, dass die HSH länger als üblich Mitglied im Sicherungssystem des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) bleiben kann. Der DSGV signalisierte hierfür grünes Licht und stellte einen "nahtlosen Übergang in das Sicherungssystem des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) in Aussicht. Die privaten Banken wollen die HSH als Neumitglied genau unter die Lupe nehmen. "Bei einer Bank von der Größe der HSH dauert das Prüfverfahren bei optimaler Kooperation der Bank realistischerweise ein halbes Jahr", sagte der BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig zu Reuters.