Frankfurt (Reuters) - An den europäischen Aktienmärkten gab es am Donnerstag nur ein Thema: Die erste Zinssenkung der britischen Notenbank seit sieben Jahren zur Bekämpfung einer Wirtschaftskrise.
Das Pfund Sterling sackte in Folge der Entscheidung um mehr als zwei Cent auf 1,3115 Dollar ab. Zum Euro verbilligte es sich um fast zwei Euro-Cent auf 1,18 Euro. Britische Aktienanleger freuten sich dagegen und zogen den Leitindex der Londoner Börse um 1,5 Prozent nach oben, nachdem er zuvor auf den tiefsten Stand seit über drei Wochen gefallen war. Dax und EuroStoxx50 stiegen um je ein halbes Prozent auf 10.207 und 2922 Zähler.
Mit der Senkung der Zinsen auf 0,25 Prozent von 0,5 Prozent versuchen die Währungshüter einen Konjunktureinbruch abzufedern, der Großbritannien durch den Ausstieg aus der Europäischen Union (EU) droht. "Die Bank von England (BoE) macht kurzen Prozess und eröffnet beim Kampf gegen den Brexit das Feuer", sagte Volkswirt Thomas Gitzel und der VP Bank.
Zusätzlich stockte die Notenbank ihr Staatsanleihen-Kaufprogramm um 60 Milliarden auf 435 Milliarden Pfund (514 Milliarden Euro) auf. Sie signalisierte, dass sie dieses Jahr nochmals an der Zinsschraube drehen könne. "Die Bank of England hat sich für den großen Wurf entschieden, in dem sie viele Maßnahmen in kleiner Dosis bündelt", sagte Ökonomin Katrin Löhken von Sal. Oppenheim. Diese Entscheidung sei angemessen, da sich die Auswirkungen des Brexit-Votums vom 23. Juni noch nicht voll niedergeschlagen hätten.
ANLEGER DECKEN SICH MIT GOLD EIN
Dem Goldpreis verlieh die Zinssenkung Auftrieb: Eine Feinunze des Edelmetalles kostete 1364 Dollar nach 1350 Dollar vor dem Entscheid. Niedrigere Zinsen machen Gold für Anleger generell attraktiver, da der Rohstoff keine Verzinsung bringt und bei physischem Erwerb sogar Lagerkosten anfallen können.
Einige Experten haben aber Zweifel, ob es der Notenbank gelingt, mit den Maßnahmen eine Rezession zu vermeiden. Großbritannien sei wegen seines hohen Leistungsbilanzdefizits von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf einen stetigen Kapitalfluss angewiesen, sagte Gitzel. "Je niedriger das Zinsniveau und damit uninteressanter eine Kapitalanlage ist, desto schwieriger wird es, die Löcher zu stopfen."
WALDBRÄNDE VERHAGELN HANNOVER RÜCK DAS ERGEBNIS
Auf Unternehmensseite ragte an der Börse Siemens (DE:SIEGn) heraus. Nach einer Prognoseanhebung legten die Papiere des Münchener Traditionskonzerns um 5,2 Prozent auf 101,75 Euro zu und notierten damit auf dem höchsten Stand seit April 2015. Lange Gesichter gab es dagegen beim "Nivea"-Konzern Beiersdorf, weil der Umsatz mit Körperpflegeprodukten hinter den Erwartungen zurückblieb. Die Aktien rutschten um 3,3 Prozent ab und trugen die rote Laterne im Dax.
Im MDax brachen Hannover Rück in der Spitze um 8,7 Prozent ein. Anleger waren enttäuscht von den Quartalszahlen, in denen sich die Waldbrände in Kanada, ein schweres Erdbeben in Ecuador und Unwetter in Süddeutschland niederschlugen.
An der Londoner Börse trennten sich Anleger vor allem Aktien des Pharmakonzerns Hikma. Schrumpfende Gewinne im Geschäft mit Nachahmermedikamenten verhagelten die Bilanz des Unternehmens. Die Titel brachen um bis zu 17 Prozent ein - so stark wie noch nie innerhalb eines Tages.