Hamburg/Brüssel (Reuters) - Dem Volkswagen-Konzern bleiben im Abgasskandal in den USA womöglich Milliardenkosten erspart.
Die kalifornische Umweltbehörde CARB machte den Wolfsburgern Hoffnung, dass sie eine Reparatur der fast 600.000 betroffenen Dieselautos mit Zwei- und Drei-Liter-Motoren genehmigen wird. "Wir wollen, dass Volkswagen (DE:VOWG) die Autos reparieren und weiterverkaufen kann. Langfristig gesehen glauben wir, dass das effizienter ist", sagte Behördenchefin Mary Nichols dem "Handelsblatt" (Montagausgabe). Eine Reparatur könnte die Kosten der kürzlich erzielten Einigung über 15 Milliarden Dollar deutlich senken, weil VW nicht alle Autos zurückkaufen müsste. In Europa könnten dagegen neue Kosten auf VW zukommen, falls auch dort Entschädigungen für Verbraucher fällig werden sollten.
Auf die Aussagen der kalifornischen Umweltbehörde reagierte Volkswagen erleichtert: "Wir wissen das konstruktive Zusammenwirken mit den US-Behörden zu schätzen", sagte ein Sprecher. Der Konzern arbeite mit Hochdruck an einer technischen Lösung zur Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge. "Gemeinsam mit den Behörden sehen wir uns dabei auf einem guten Weg." Die Aussagen der CARB-Chefin bestätigten dies.
Die Autos mit Zwei-Liter-Motor könnten nach Einschätzung der Behörde so repariert werden, dass die Emissionen um 80 bis 90 Prozent reduziert werden. "Das sind nicht ganz 100 Prozent, aber dafür gibt es ja einen Fonds, der die Emissionen kompensiert, und zwar vergangene und künftige", sagte Nichols.
Für den Rückkauf von einer halben Million manipulierter Dieselautos mit Zwei-Liter-Motoren sind gut zehn Milliarden Dollar vorgesehen, weitere fast fünf Milliarden Dollar soll Volkswagen in zwei Umweltfonds einzahlen. Das Bezirksgericht in San Francisco will am Dienstag entscheiden, ob es den Dieselgate-Vergleich vorläufig annimmt. Volkswagen hatte zugegeben, eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese erkennt, ob ein Wagen auf dem Prüfstand steht, nur dann werden die Abgasgrenzwerte eingehalten. Im normalen Verkehr auf der Straße ist der Schadstoffausstoß um ein Vielfaches höher.
Bei den Drei-Liter-Motoren hatte die kalifornische Umweltbehörde Mitte Juli einen Reparaturplan von Volkswagen abgelehnt, sieht aber dennoch gute Chancen auf eine Einigung. "Wir glauben, dass Volkswagen die meisten Autos reparieren kann", sagte Nichols. "Es wird auch Strafzahlungen geben, die werden allerdings nicht so hoch ausfallen", kündigte die CARB-Chefin an. Bei diesen Wagen war eine in den USA beanstandete Softwarefunktion nicht ausreichend bei den Behörden angemeldet worden. Der Konzern vertritt den Standpunkt, dass es sich dabei nicht um eine illegale Abschalteinrichtung handelt, sondern die Software dem Bauteilschutz dient. In den USA sind davon 85.000 Fahrzeuge des Konzerns betroffen, darunter der VW Touareg, der Porsche (DE:PSHG_p) Cayenne und der Audi A8.
UNSICHERHEITEN BLEIBEN
Analysten rechnen damit, dass die Beilegung des Dieselskandals weniger kosten wird, wenn VW einen großen Teil der betroffenen Fahrzeuge reparieren kann. "Das dürfte die ein oder andere Milliarde weniger sein", sagte Frank Schwope von der NordLB. Für seinen Kollege Marc-Rene Tonn vom Bankhaus M.M. Warburg stellt sich die Frage, ob die US-Kunden ihre Fahrzeuge überhaupt reparieren lassen. "Wenn der Rückkauf der bessere Deal ist, werden sie sich vielleicht eher dafür entscheiden."
Sollte die kalifornische Umweltbehörde CARB einen Reparaturplan genehmigen, könnte die Argumentation von Volkswagen in Europa Experten zufolge ins Wanken geraten. Der Konzern lehnt Entschädigungen hierzulande bisher ab und verweist darauf, dass die Wagen in Europa repariert werden. In den USA gebe es dagegen keinen von den Behörden genehmigten Plan für die Umrüstung.
Die Europäische Kommission will Verbraucherschützern im Streit um Entschädigungen für Volkswagen-Kunden den Rücken stärken. Man arbeite mit Verbraucherbehörden zusammen, um sicherzustellen, dass die Konsumenten in der EU fair behandelt würden, teilte EU-Justizkommissarin Vera Jourava mit. Einem Sprecher zufolge verschickte die Brüsseler Behörde vorige Woche im Zusammenhang mit den Dieselskandal Fragen an alle Verbraucherschutz-Organisationen in der EU. Ziel sei es, herausfinden, welche Lösungen die nationalen Behörden den Verbrauchern angeboten hätten und wo es Hindernisse gebe. Im September sollten bei einem Treffen in Brüssel mit den Verbraucherschützern kurzfristige Lösungen gefunden und über langfristigere Maßnahmen beraten werden. Über den Brief aus Brüssel berichtete zuerst die "Welt" in ihrer Montagausgabe.