von Robert Zach
Investing.com - Spekulative Exzesse im US-Tech-Bereich (NYSE:XLK), die die Bewertungen in die Höhe trieben, sowie die näherrückende US-Wahl im November haben eine größere Korrektur am US-Aktienmarkt im September losgetreten.
Der Dow Jones und der S&P 500 sind um 2,98 Prozent bzw. 4,25 Prozent gefallen, während der Nasdaq um 6,16 Prozent nachgab. Die Korrektur kam als Reaktion auf die massive Erholungsbewegung nach dem Ausverkauf Mitte März. Von seinem Corona-Tief im März stieg der S&P 500 um mehr als 50 Prozent.
Die gute Nachricht ist, dass die Aktienmärkte endlich korrigiert haben. Die schlechte Nachricht jedoch ist, dass vier erhebliche Risiken noch immer über dem Markt hängen und allesamt noch zu lösen sind, sagte Andrew Sheets, Cross-Asset-Stratege bei Morgan Stanley (NYSE:MS).
"Unsere Ökonomen und ich glauben, dass viele Marktteilnehmer von zusätzlichen Konjunkturmaßnahmen in den USA in Höhe von etwa 1 Billion Dollar ausgegangen waren. Aber die jüngsten Fortschritte an dieser Front waren nicht vielversprechend".
Zwar äußerte sich Nancy Pelosi zuletzt zuversichtlich bezüglich einer raschen Einigung über ein Covid-Rettungspaket und die Demokraten legten sogar eine neue Gesetzesvorlage in Höhe von 2,2 Billionen Dollar vor. Gleichwohl erschwere die Kontroverse über die Nachfolge der verstorbenen Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gerichtshof diesen Prozess, so Sheets.
"Es ist durchaus möglich, dass der Kongress vor den US-Wahlen nur die Zeit hat, entweder zusätzliche Stützungsmaßnahmen zu verabschieden oder eine Entscheidung über die Neubesetzung der Stelle am Obersten Gerichtshofs zu treffen, aber nicht beides gleichzeitig", glaubt der Stratege.
Zweifellos wäre ein weiteres Corona-Hilfspaket "ungemein wichtig und hätte einen großen Einfluss darauf, wie die Märkte die kurzfristigen wirtschaftlichen Aussichten bewerten".
Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Risiko seien die im November stattfindenden US-Präsidentschaftswahlen, sagte Sheets, die einen erheblichen Einfluss auf die Aktienmärkte haben könnten.
In der Regel sind US-Wahljahre gute Börsenjahre. Allerdings tendieren die Kurse einen Monat vor dem Großereignis meistens seitwärts oder leicht abwärts, insbesondere wenn "das Ergebnis höchst ungewiss ist oder sich ein enges Rennen um die Präsidentschaft abzeichnet". Gleichzeitig ist der bisherige Jahresverlauf 2020 kein zwingender Indikator dafür, ob die Regel in diesem Jahr bestätigt oder widerlegt wird.
Als drittes Risiko machte Sheets die Entwicklung der Corona-Pandemie im Zuge der Wiedereröffnung vieler Schulen und Universitäten in den USA aus, weshalb er "den September, und insbesondere das Monatsende als einen sehr wichtigen Wegweiser für die Ausbreitung des Virus" bezeichnete. Dies könne die Erwartungen beeinflussen, wie die Pandemie im Herbst verlaufe und ob es eine zweite Welle geben wird oder eben nicht.
"Bedauerlicherweise beginnen die Fälle in Europa wieder zu steigen, während in den USA 37 Bundesstaaten inzwischen R-Werte von über 1 aufweisen".
Auch der weitere Verlauf der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union über die zukünftigen Handelsbeziehungen werden die Aktienmärkte laut Sheets in Atem halten. "Seit der ursprünglichen Abstimmung sind mehr als vier Jahre vergangen, aber die Brexit-Saga bleibt ungelöst".
Zwar signalisierte die EU vor der letzten Verhandlungsrunde über ein Handelsabkommen einem Zeitungsbericht zufolge ihr Entgegenkommen. Dennoch erhöhte Morgan Stanley kürzlich seine Wahrscheinlichkeit auf ein No-Deal-Brexit, da in den kommenden zwei Monaten wichtige Fristen näherrücken.
"Ein solches Szenario würde auf kurze Sicht die erhebliche Unsicherheit am Markt und in der Wirtschaft schaffen", meinte der Analyst.
Auf der Grundlage dieser vier Risiken und ihrer ungeklärten Natur, geht Morgan Stanley auf kurze Sicht von einer anhaltend hohen Marktvolatilität aus.
"Wir sind aber auch der Meinung, dass sich diese Faktoren letztlich nur als vorübergehende Hürden für den Markt erweisen werden. Vorerst sollten die Anleger daher geduldig bleiben und auf mehr Klarheit warten, bevor sie den Dip kaufen".
Ein Risiko, das jedoch erhalten bleiben werde, ist, dass die langfristigen Zinssätze von hier aus wahrscheinlich weiter steigen werden, "insbesondere wenn die o.g. Risiken abklingen und die Erholung anhält".
Höhere Zinsen gelten häufig als Bremsklotz für Aktien. Grund dafür ist ein höherer Diskontierungsfaktor infolge steigender Zinssätze oder einer höheren Risikoprämie, was zu einem tieferen Aktienkurs führt. Steigende Zinsen erhöhen zudem das Ausfallrisiko von Unternehmen mit einer hohen Verschuldung.
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