- von Tom Käckenhoff
Düsseldorf (Reuters) - Mitten in der Führungskrise von Thyssenkrupp (DE:TKAG) haben die Arbeitnehmervertreter einen Generationswechsel eingeleitet.
Der Konzernbetriebsrat wählte am Dienstag den Betriebsratschef des Bochumer Stahlwerks, Dirk Sievers, zum neuen Vorsitzenden. Der 47-Jährige tritt die Nachfolge von Wilhelm Segerath an, der nach sechseinhalb Jahren aus Altersgründen seinen Posten abgibt. Sievers stammt wie Segerath aus der Stahlsparte und soll von seinem Vorgänger auch den Sitz im Aufsichtsrat übernehmen, wo derzeit um eine neue Strategie und die offene Führungsfrage gerungen wird. "Wir sind offen für sinnvolle Lösungen. Mit mir wird es keinen Umbau des Konzerns gegen die Interessen der Beschäftigten geben", sagte Sievers der Nachrichtenagentur Reuters.
"Der Konzern befindet sich in schwierigem Fahrwasser", sagt der Betriebsratschef. Der Mischkonzern mit knapp 160.000 Mitarbeitern steckt nach den Rücktritten des langjährigen Vorstandschefs Heinrich Hiesinger und des Aufsichtsratschefs Ulrich Lehner in einer der größten Krisen in seiner über 200-jährigen Unternehmensgeschichte. Investoren wie Cevian und der US-Hedgefonds Elliott fordern mehr Rendite. Unter den Mitarbeitern wächst die Sorge vor einer Zerschlagung.
"STRUKTUREN SIND NICHT SAKROSANKT"
Thyssenkrupp müsse so gewandelt werden, dass möglichst viel Beschäftigung bleibe, sagte Sievers. "Es nützt nichts, etwas Schönes zu präsentieren, was dann nicht den nächsten Winter überlebt." Veränderungen im Portfolio seien nichts Ungewöhnliches. Sievers zeigte sich zugleich flexibel. "Ich bin seit 31 Jahren im Unternehmen. Da hat es immer Verkäufe, Zukäufe und Umorganisationen gegeben. Strukturen sind für uns nicht sakrosankt - vorausgesetzt, die Interessen der Mitarbeiter werden gewahrt und es gibt eine langfristige Perspektive für die Beschäftigten und die Geschäfte."
Ein Investorenschreck will Sievers ohnehin nicht sein. "Irgendwo her muss auch Kapital kommen. Wenn ein Investor akzeptiert, dass es berechtigte Interessen der Arbeitnehmer gibt und der Gesellschaft, dann habe ich gar nichts dagegen. Aber gegen Investoren, die die soziale Marktwirtschaft nicht verstehen, gegen die habe ich was." Er glaube auch, dass die Sorge vor dem als wenig zimperlich geltenden Hedgefonds Elliott übertrieben sei. "Wir haben andere Probleme. Ich kann nachts gut schlafen in dem Wissen, dass die bei uns beteiligt sind."
Spekulationen, dass das Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel zurückgedreht werden könnte, erteilte er eine Absage. "Das Stahl-Joint-Venture ist nicht mehr zurückdrehbar. Das Signing ist gelaufen, die Vorbereitungen gehen voran. Im Moment läuft das Carve Out. Das geht jetzt seinen Gang. Es gibt keine Kehrtwende." Auch vor einem später wahrscheinlichen Börsengang des Gemeinschaftsunternehmens sei ihm nicht bange. "Wir haben dafür klare Regularien und so lange man sich von Anteilsseite daran hält, habe ich keine Sorge."
Sievers ist bereits seit 1994 Betriebsrat und seit 2003 freigestellt. Schon früh sei er durch seine Familie in einer Weise geprägt, die ihm auch jetzt weiter begleiten werde. "Ich bin die Nummer 16 von 18 Kindern von einer Mutter und einem Vater. Da lernt man ganz früh, dass es kein Ich, sondern ein Wir gibt. Und da lernt man ganz früh, Mehrheiten zu finden und dass nicht immer die Lautesten Recht haben."