FRANKFURT (dpa-AFX) - Angesichts der anhaltenden Nullzinspolitik in Europa hat der Dax (DAX) am Donnerstag den Turbo gezündet. Nach den Beschlüssen der Europäischen Zentralbank (EZB) baute er seine Kursgewinne am Nachmittag immer weiter aus und stieg erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 13 100 Punkten. Die neue Bestmarke setzte er bei 13 144,65 Zählern. Am Ende ging er 1,39 Prozent höher bei 13 133,28 Punkten über die Ziellinie.
Mit der Ankündigung halbierter monatlicher Anleihekäufe hatte die Notenbank zwar wie erwartet den ersten Schritt zum Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik getan. Sparer müssen sich aber gedulden, weil die Währungshüter weiterhin nicht an der Zinsschraube drehten. "Die Geldpolitik bleibt locker und wird nur soweit gestrafft, dass Aktienkäufer hervorragend damit leben können", sagte Marktbeobachter Daniel Saurenz von Feingold Research.
Der MDax (MDAX) als Heimat mittelgroßer Konzerne gewann am Donnerstag sogar fast 2 Prozent auf 26 512,97 Zähler. Der Technologiewerte-Index TecDax (TecDAX) legte um 0,87 Prozent auf 2490,31 Punkte zu. Allesamt profitierten sie dabei auch vom schwachen Euro, der unter den EZB-Entscheiden litt und tendenziell die Exportaussichten der hiesigen Unternehmen verbessert.
Die Notenbank setzt ihre milliardenschweren Wertpapierkäufe im kommenden Jahr zwar fort, verringert das Volumen aber deutlich. Von Januar 2018 an wollen die Währungshüter monatlich nur noch Staatsanleihen und andere Wertpapiere für 30 Milliarden Euro kaufen. Derzeit fließt noch doppelt soviel in den Markt. Ökonomen hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. Während einige den grundsätzlichen "Einstieg in den Ausstieg" begrüßen, halten ihn andere aber für zu zaghaft.
Auch aus Katalonien überschlugen sich die Nachrichten. Erst hieß es, der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont habe eine angekündigte Erklärung zur Krise in der spanischen Region abgesagt. Dann aber sprach er doch und erfüllte vorherige Spekulationen über mögliche Neuwahlen nicht. Der spanische Leitindex Ibex 35 reduzierte daraufhin seine Gewinne. Dem Dax jedoch konnte dies auf seiner Rally nichts anhaben.
Auch aus Unternehmenssicht hatte die Agenda am Donnerstag reichlich Stoff zu bieten. Die Aktien der Deutschen Bank (4:DBKGn) waren mit Abgaben von fast 1 Prozent der zweitgrößte Dax-Verlierer. Der Aufschwung beim größten heimischen Geldhaus lässt weiter auf sich warten. Im dritten Quartal musste die Bank abermals ein rückläufiges Geschäft vermelden, ein Gewinnsprung konnte nur durch Einsparungen erzielt werden. JPMorgan-Analyst Kian Abouhossein attestierte dem Bankhaus denn auch eine schwache Ergebnisqualität.
Noch schlechter kam bei Anlegern der Quartalsbericht von Bayer (4:BAYGN) an. Die Papiere der Leverkusener, die kurz vor der geplanten Rekordübernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto (112:MON) stehen, rutschten als Schlusslicht im Dax um 1,75 Prozent ab. Sie fielen auf den tiefsten Stand seit einem Monat. Bernstein-Experte Jeremy Redenius stufte das dritte Quartal des Pharma- und Chemiekonzerns als operativ schwach ein. Als Enttäuschung wurde vor allem das Pharma-Geschäft gewertet.
An der Dax-Spitze befanden sich hingegen die Beiersdorf-Aktien (4:BEIG) mit einem Satz nach oben um 6 Prozent. Ein höheres Umsatzziel sorgte dort bei den Anlegern für große Freude. Auch ein starkes Wachstum im dritten Quartal wurde am Markt als gute Nachricht gewertet. Dafür verantwortlich war vor allem die Klebstoffsparte Tesa. Der Marktführer in dieser Branche, Henkel (4:HNKG_p), erhielt davon ebenfalls Rückenwind. Seine Aktien rückten um fast 4 Prozent vor.
Bei den Anlegern von Munich Re (4:MUVGn) herrscht trotz eigentlich schlechter Nachrichten Erleichterung. Obwohl Naturkatastrophen den Gewinn des Rückversicherers zerfleddert haben und das bisherige Gewinnziel endgültig passé ist, ging es für die Titel um mehr als 4 Prozent nach oben. Die Anleger richten ihren Blick offensichtlich nun voraus. Im Sektor wird mit steigenden Preisen in der kommenden Erneuerungsrunde gerechnet.
Auch in den weiteren Indizes bewegten zahlreiche Zahlenvorlagen. MTU (4:MTXGn) etwa waren im MDax mit mehr als 5 Prozent der größte Gewinner. Im TecDax hievte eine weiter nach oben geschraubte Prognose die Aktie von Wirecard (4:WDIG) auf ein Rekordhoch. Sie schlossen fast 6 Prozent höher. Evotec (4:EVTG) dagegen brachen erneut um 8 Prozent ein. Die Biotech-Papiere setzen damit ihre jüngste Talfahrt nach einem zwischenzeitlich erreichten Mehrjahreshoch fort.
Der EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) hielt nach dem EZB-Entscheid nahezu Schritt mit dem Dax. Der Leitindex der Eurozone stieg um 1,27 Prozent auf 3637,20 Punkte. In Paris ging es für den CAC-40 (CAC 40) sogar um 1,5 Prozent nach oben. Außerhalb der Eurozone war die Tendenz etwas verhaltener. Der Londoner FTSE 100 (GB0001383545) stieg um gut ein halbes Prozent. In New York stand der Dow Jones Industrial (Dow Jones Industrial Average) zum europäischen Handelsende nur moderat mit 0,3 Prozent im Plus.
Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite von 0,28 Prozent am Vortag auf 0,27 Prozent. Der Rentenindex Rex (DE0008469107) stieg um 0,04 Prozent auf 141,03 Punkte. Der Bund-Future (DE0009652644) stieg um zuletzt 0,55 Prozent auf 161,99 Punkte. Der Euro hingegen sank auf 1,1700 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,1753 (Mittwoch: 1,1785) US-Dollar festgesetzt.