von Robert Zach
Investing.com - Die Weltbörsen (ETR:SPPW) befinden sich im freien Fall. Zins-, Inflations- und Rezessionssorgen belasten die Stimmung der Anleger. Das hat Folgen. Der S&P 500 fuhr sein schlechtestes Halbjahresergebnis seit 1970 ein, der Dow Jones sogar seit 1962. Die Stimmen derer, die eine Rezession erwarten, werden immer lauter. Kein Wunder also, dass sich mehr und mehr Marktteilnehmer fragen: Wo bleibt denn nur der Zentralbank-Put?
Doch so schnell dürfte das heißbegehrte Sicherheitsnetz kein Comeback feiern, glaubt Jonas Goltermann, Marktstratege bei Capital Economics. Vielmehr steuert die Welt wahrscheinlich auf ein neues Volatilitätsregime zu, denn die Zentralbanken haben den Kampf gegen die ausufernde Inflation angenommen und werden so schnell nicht wieder locker lassen.
"Nach unserer Auffassung wird ihre Bereitschaft, den Finanzmärkten weitere Schmerzen zuzufügen, nach wie vor unterschätzt", schrieb er in einer Notiz. Von einem baldigen Zentralbank-Put kann daher keine Rede sein.
Die Zentralbank-Put beschreibt den Verdacht, dass Notenbanken immer wieder gezielt auf Schwächephasen am Aktienmarkt reagieren und so die Kurse stützen.
Ähnlich äußerte sich Fed-Chef Jerome Powell kürzlich auf einem EZB-Forum in Portugal. "Der Prozess wird höchstwahrscheinlich mit einigen Schmerzen einhergehen, aber am schmerzhaftesten wäre es, wenn man diese hohe Inflation nicht in den Griff bekommt und zulässt, dass sie fortbesteht."
Augustin Carstens, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), auch als Bank der Zentralbanken bekannt, sagte, die Notenbanker hätten den ersten Schritt getan und erkannt, dass sie ein Problem haben. Jetzt müssen sie die Geldpolitik weiter straffen, denn die Risiken nehmen zu.
Im Kampf gegen die höchste Inflation seit 40 Jahren erhöhte die US-Notenbank Fed in diesem Jahr ihren Leitzins bereits um 150 Basispunkte auf eine Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent. Weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr sollen folgen.
Doch die Federal Reserve ist nicht die einzige der großen Zentralbanken, die die Zinsen bereits heraufgesetzt hat. So haben die britische und die Schweizer Zentralbank ihre Geldpolitik ebenfalls bereits gestrafft. Das Gleiche gilt für die Norges Bank und die Reichsbank. In Australien und Neuseeland bietet sich ein ähnliches Bild. Sogar die Europäische Zentralbank dürfte sich Mitte Juli in den Kreis der straffenden Zentralbanken einreihen. Die Bank of Japan hingegen hält stur an ihrer laxen Geldpolitik fest.
Dass die Aktienmärkte deshalb unter die Räder kommen, sei nicht weiter überraschend, so Goltermann. "Die meisten großen Aktienindizes befinden sich derzeit in einem Bärenmarkt, und die Credit Spreads der Unternehmen nähern sich Niveaus, die typischerweise mit erheblichen wirtschaftlichen Abschwüngen oder Rezessionen in großen Volkswirtschaften einhergehen."
Hoffnung schöpfen die Marktteilnehmer derzeit vor allem aus der Überzeugung, dass eine sich abschwächende Wirtschaft zu weniger Zinserhöhungen durch die Zentralbanken führen könnte. Aber dieser Optimismus ist nach Einschätzung des Experten vielleicht ein wenig verfrüht.
"Nach den jüngsten Äußerungen des Fed-Vorsitzenden Powell zu urteilen, wird die US-Notenbank weiter an der Zinsschraube drehen, zumindest bis die Inflation wieder vollständig unter Kontrolle ist. Bis dahin dürften die Finanzmärkte weiterhin im Spannungsfeld zwischen den Risiken eines schwächeren Wachstums und einem Anziehen der Zinserwartungen gefangen bleiben", resümierte Goltermann.