- von Kathrin Jones und Andreas Kröner
Frankfurt (Reuters) - Neue Hiobsbotschaft für die Deutsche Bank: 14 Milliarden Dollar will das US-Justizministerium von Deutschlands größtem Geldhaus als Wiedergutmachung für Tricksereien auf dem amerikanischen Immobilienmarkt.
Diese Summe sei in den Verhandlungen aufgerufen worden, teilte die Bank in der Nacht zum Freitag mit. Vorstandschef John Cryan betrachtet das als ersten Aufschlag, arbeitet an einer Gegenofferte und geht fest davon aus, den Betrag in den nun anlaufenden Marathon-Sitzungen noch drücken zu können. "Die Deutsche Bank (DE:DBKGn) erwartet ein Verhandlungsergebnis, das im Bereich ihrer Wettbewerber liegt, die sich mit dem US-Justizministerium bereits auf deutlich niedrigere Beträge geeinigt haben", erklärte das Institut. Die Bundesregierung will sich nicht in die Verhandlungen einmischen. Sie gehe aber davon aus, dass am Ende ein "faires Ergebnis" herauskomme, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums.
Auch Investoren wünschen sich nichts sehnlicher. Von der Zuversicht ließen sie sich jedoch nicht anstecken. Die Deutsche-Bank-Aktie verlor zeitweise acht Prozent und zog auch andere Finanztitel tief ins Minus. Selbst ein Drittel der angedrohten Summe von umgerechnet 12,5 Milliarden Euro wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von nur noch 18 Milliarden Euro, rechnete Analyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital vor. Man frage sich, ob die Regulierer mit derart hohen Strafen nicht mehr Schaden anrichteten als Gutes zu tun. "Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend."
KEINE GROSSEN RESERVEN
Der Verhandlungsdruck ist groß für die Deutsche Bank. Sie steckt mitten in der Sanierung und verdient deshalb kaum Geld. Die Kapitaldecke ist im Vergleich zu Wettbewerbern dünn. Eine weitere milliardenschwere Kapitalerhöhung hat Cryan zwar wiederholt ausgeschlossen - er setzt darauf, dass sich das Geldhaus durch den Abbau von Risiken gesundschrumpfen kann. Aber viele Analysten waren schon bislang skeptisch. Nun kommt im schlimmsten Fall eine Strafzahlung hinzu, die die Bank überfordern könnte. Müsste die volle Summe gezahlt werden, würde die harte Kernkapitalquote auf einen Schlag in den einstelligen Prozentbereich absacken. "Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend", warnt einer der zehn größten Aktionäre. Einen Bedarf für Staatshilfen sehe er aber nicht. "Es gibt keine Krisenstäbe", betonte ein deutscher Bankenaufseher. "Wir betrachten das aber sehr intensiv - das ist kein Pappenstil." Die Opposition erwartet, dass die Deutsche Bank im Notfall vom Staat aufgefangen würde. Das Institut sei einfach noch immer zu groß, sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. "Die Frage wäre also, wie groß wäre der Schaden für die Volkswirtschaft, falls die Bank kippen würde."
Für alle noch offene Rechtsstreitigkeiten, darunter auch der Geldwäsche-Skandal in Russland, hat das Institut 5,5 Milliarden Euro zur Seite gelegt - und wähnte sich damit auf der sicheren Seite. Für den Hypothekenstreit wurden davon 2,5 bis drei Milliarden Euro veranschlagt, wie ein Insider berichtet. Die ungleich größere Rechnung, die das US-Justizministerium nun aufmachte, sei erst zu Wochenbeginn ins Haus geflattert. "Jetzt geht es ans Eingemachte, um die konkrete Summe." Das Thema dürfte auch eine wichtige Rolle bei der zweitägigen Strategieklausur von Vorstand und Aufsichtsrat gespielt haben, die am Freitag in Mailand zu Ende ging. Intern gibt es weiter die Hoffnung, es bis Jahresende vom Tisch zu haben.
Der Großinvestor rechnet am Ende mit einer Strafe von vier bis 5,5 Milliarden Dollar. "Da wir im US-Wahlkampf sind, kann die Summe aber auch höher ausfallen – etwa sechs oder sieben Milliarden Dollar", sagte er Reuters. "Auch der Streit der EU mit Apple (NASDAQ:AAPL) und Google (NASDAQ:GOOGL) kann durchaus dazu führen, dass die Summe höher ausfällt als vergleichbare Strafzahlungen von US-Banken." Die EU-Kommission fordert von Apple eine Steuerrückzahlung von 13 Milliarden Euro, weil sie die von Irland eingeräumten Sonderkonditionen für unrechtmäßig hält. Das US-Finanzministerium hatte sich umgehend beschwert.
WIE EIN BUMERANG
Das Hypothekenthema geht auf die Zeit vor der Finanzkrise zurück und betrifft nicht allein die Deutsche Bank. Viele Großbanken hatten sich auf dem US-Immobilienmarkt über Jahre eine goldene Nase verdient. Sie reichten Hypotheken an mittellose Familien aus und blähten damit ihr Kreditgeschäft auf. Die Risiken wurden dann an Investoren weitergereicht - in Form von hochkomplexen Anleihen, die den Banken ebenfalls hohe Gebühren in die Kasse spülten. Als der Markt 2007 kollabierte, erwiesen sich diese Bonds als wertlos. Viele der Käufer fühlten sich über den Tisch gezogen und klagten erfolgreich gegen die Banken. Im Frühjahr hatte Goldman Sachs (NYSE:GS) einen Vergleich mit dem US-Justizministerium eingetütet - rund fünf Milliarden Dollar schwer.
Die Deutsche Bank betonte, man beabsichtige "auf keinen Fall, diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche in einer Höhe zu vergleichen, die auch nur annähernd der genannten Zahl entspricht". Branchenkennern zufolge haben die Banken in den Gesprächen mit den Behörden durchaus Verhandlungsspielraum zu ihren Gunsten. Wie groß der Spielraum bei einem ausländischen Institut ist, ist allerdings offen. Das US-Justizministerium wollte sich zur Sache nicht äußern. Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London hat seine eigene Interpretation: "Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen."