FRANKFURT (dpa-AFX) - Für den Dax (DAX) dürfte in der neuen Woche die Luft nach seinem jüngsten Kurszuwachs dünner werden. "Seit Jahresbeginn haben die Investoren die meisten der negativen Wirtschaftsdaten einfach so durchgewunken, doch diese Diskrepanz werde nun stärker hinterfragt", erklärte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.
Der deutsche Leitindex war zuletzt von Jahreshoch zu Jahreshoch geklettert. Mit Kursen von über 11 500 Punkten hatte er sich von seinem im Dezember 2018 markierten Zweijahrestief bei 10 279 Punkten zuletzt um fast zwölf Prozent erholt. Die nächste wichtige Barriere sehen die Charttechnik-Profis vom Börsenstatistik-Magazin Index Radar nun rund 400 Punkte über dem aktuellen Niveau. Ob der Markt die Kraft habe, dieses Potenzial auszuschöpfen, sei indes fraglich.
Impulse liefert auch in den kommenden Tagen erneut die Berichtssaison mit Unternehmenszahlen. Aus dem Dax öffnen mit Covestro (4:1COV) am Montag und BASF (4:BASFN) am Dienstag zwei Chemiekonzerne die Bücher. Am Mittwoch sind der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer (4:BAYGN) sowie der Tesa- und Nivea-Produzent Beiersdorf (4:BEIG) an der Reihe. Auch zahlreiche MDax- (MDAX) und SDax-Unternehmen (SDAX) legen Zahlen vor.
Die Blicke richten sich zudem weiter auf den drohenden harten Brexit. So waren kurz vor der Abstimmung über die nächsten Brexit-Schritte im britischen Parlament gleich drei Minister öffentlich auf Konfrontationskurs zu Premierministerin Theresa May gegangen. Sie wollten einen "desaströsen" ungeregelten EU-Austritt verhindern, teilte das Trio mit. Damit steigen die Chancen, dass das Parlament am Mittwoch bei der Abstimmung May die Kontrolle über den Brexit-Kurs aus der Hand nimmt. May reagierte gelassen und kündigte zudem an, dass ein sogenanntes meaningful vote (bedeutungsvolles Votum) bis zum 12. März stattfinden werde: Die Regierung kann das Brexit-Abkommen mit Brüssel nur unterzeichnen, wenn zuvor das Parlament zugestimmt hat.
Wesentliches Thema bleibt auch der Zollstreit zwischen den USA und China das wichtigste Thema. Am Freitag, 1. März, endet die Frist für den "Waffenstillstand" im amerikanisch-chinesischen Handelsstreit. Ohne eine Lösung des Konflikts würden Strafzölle für US-Einfuhren aus China auf 25 Prozent steigen. Es gilt derzeit aber als wahrscheinlich, dass die Frist verlängert wird, was Marktteilnehmer weiter aufatmen lässt.
"Einen Deal zwischen den USA und China sollten Anleger aber trotz aller zuletzt positiven Nachrichten nicht als bereits abgeschlossen betrachten", mahnte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. US-Präsident Donald Trump könne hier jederzeit von der Stimmungskanone zum Stimmungskiller für die Börsen werden, sagte der Portfolio-Manager. Ein positives Verhandlungsergebnis dürfte auch schon in den Kursen eingepreist sein, weshalb Rückschläge im Fall eines Scheiterns der Gespräche umso stärker ausfallen sollten.
Die USA liegen allerdings in puncto Handelsfragen nicht nur mit China, sondern auch mit Europa im Clinch, wobei sich hierzulande die Marktbeobachter vor allem um Strafzölle für die Automobilindustrie sorgen. Das US-Handelsministerium dürfte zu der Erkenntnis gekommen sein, dass die Autoproduktion im nationalen Sicherheitsinteresse der USA liege, sodass US-Präsident Trump in den kommenden 90 Tagen Strafzölle gegen europäische Autobauer verhängen könnte, fürchtet der Chefanlagestratege der Commerzbank (DE:CBKG), Chris-Oliver Schickentanz. "Dies wäre eine spürbare Eskalation des zuletzt entspannten Handelsstreits." Aktien aus dem europäischen Autosektor (Stoxx 600 Automobiles & Parts RP) reagieren auf Nachrichten von der Handelsfront meist mit recht deutlichen Kursbewegungen.
Konjunkturseitig interessieren in der neuen Woche vor allem Daten zum Wirtschaftswachstum der USA am Donnerstag. Das Wachstumstempo dürfte spürbar nachgelassen haben, prognostizieren die Volkswirte der Commerzbank. Ungeachtet des deutlich abhanden gekommenen Schwungs sei die US-Wirtschaft aber weiter gewachsen. Einige wichtige Frühindikatoren näherten sich inzwischen einem kritischen Bereich, wiesen aber noch nicht auf eine Rezession hin, so die Experten. Der Einkaufsmanager-Index für das Verarbeitende Gewerbe liefere dazu neue Informationen. Veröffentlicht wird er am Freitag.