“If you owe the bank $100, that’s your problem. If you owe the bank $100 million, that’s the bank’s problem.”
Diese Worte, die dem US-amerikanischen Industriellen Jean Paul Getty (1892 – 1976) zugeschrieben werden, machen deutlich: Hochverschuldete werden zum Problem für ihre Gläubiger. Mit Blick auf Italien bewahrheiten sich Gettys Worte.
Das Land hat eine Staatsschuldenquote von 132 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dabei zeigt Italiens Wirtschaft nur wenig Wachstumsdynamik: Seit Beginn der Euro-Währungsunion ist sie nur um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr gewachsen; und seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise beträgt das jährliche Wirtschaftswachstum durchschnittlich sogar minus 0,5 Pro Jahr.
Die Arbeitslosigkeit der Frauen zwischen 15 und 24 Jahren beträgt etwa 36 Prozent, die der gleichaltrigen Männer etwa 32 Prozent. Die italienischen Banken haben, im Vergleich mit den übrigen Euro-Banken, die höchsten faulen Kredite in ihren Bilanzen: in Q4 2017 waren es etwa 164 Mrd. Euro.
Die sich neu formierende Regierung in Rom aus Lega und dem Bündnis fünf Sterne lässt in ihrem Regierungsprogramm nicht erkennen, dass sie sich abkehren will von der Defizitfinanzierung. Die Wahlversprechen werden vielmehr die Staatsausgaben weiter erhöhen.
Sparen ist nicht beabsichtigt. Man sucht sogar ausdrücklich nach neuen Verschuldungsmöglichkeiten – beispielsweise indem die Regierung sich die Möglichkeit schaffen will, heimische Ausgaben mit Schuldscheinen (Mini-BOTS) statt mit Euro zu bezahlen.
Angesichts des EU- und Euro-skeptischen Tons der Koalition ist das Szenario nicht von der Hand zu weisen, dass die Italiener sich nun auf einen Pfad begeben, an dessen Ende einmal ihr Ausstieg aus der Einheitswährung steht.
Die Finanzmärkte haben darauf bereits reagiert: Die Zinsen für kurz- und langlaufende italienische Staatsanleihen haben angezogen. Allerdings weitaus weniger stark als noch zu Zeiten der akuten Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Grund liegt auf der Hand:
Die Investoren scheinen damit zu rechnen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im „Notfall“ eingreift und italienische Staatsanleihen – und bei Bedarf auch andere Euro-Staatsanleihen – kauft, um die Lage zu beruhigen.
Und mit dieser Erwartungshaltung dürften die Akteure auf den Märkten auch richtig liegen – denn eine solche Reaktion der EZB wäre schließlich die logische Fortsetzung der seit 2010 eingeschlagenen „Euro-Rettungspolitik“.
Die Koalition in Rom scheint sich ihrer starken Verhandlungsposition bewusst zu sein – dass sie quasi den gesamten Euroraum in Geiselhaft nehmen kann. Italien kann die Rechnung für die eigene Schuldenmisswirtschaft den übrigen Euro-Teilnehmerländern aufbürden, indem sie die EZB „durch die Kraft des Faktischen“ dazu bringt, Schulden zu monetisieren.
Das Anwerfen der elektronischen EZB-Notenpresse ist zweifellos ein machtvolles Instrument: Es kann der Zahlungsausfall von Staaten und Banken verhindern. Doch der Preis dafür ist hoch: Die Kaufkraft des Euro wird entwertet, und das schadet allen Bürgern und Unternehmen im Euroraum.
Zudem führt eine Euro-Entwertung zu einer – nicht parlamentarisch abgesegneten – Umverteilung von Einkommen und Vermögen im Euroraum in ganz großem Stil, die für noch mehr Zank und Streit und Erbitterung zwischen den Ländern sorgen dürfte.
Die Geschehnisse in Italien sind schlechte Nachrichten für den Euro – für seine Kaufkraft, aber vermutlich auch für seinen Fortbestand. Für Euro-Anleger sind sie ein Weckruf, kein „Euro-Klumpenrisiko“ einzugehen. US-Dollar und Schweizer Franken, vor allem aber auch die „Währung Gold“ bieten sich (im Bereich der liquiden Mittel) als Ausweichmöglichkeiten an.
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Ein Beitrag von Dr. Thorsten Polleit.