- von Gavin Jones und Steve Scherer
Rom (Reuters) - Die beiden potenziellen Koalitionspartner in Italien wollen ihre neue Regierung von einem Juraprofessor ohne politische Erfahrung leiten lassen.
Die populistische 5-Sterne-Partei präsentierte am Montag den 54-jährigen Giuseppe Conte als Kandidaten. Der Jurist, der an der Universität Florenz lehrt, war bisher auch den meisten Italienern unbekannt. Um ins Amt zu kommen, benötigt er aber der Zustimmung von Präsident Sergio Mattarella. Aus dessen Umfeld verlautete, der Staatschef benötige noch Zeit für eine Entscheidung. 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte nach einem Treffen mit Mattarella: "Ich bin auf diese Entscheidung sehr stolz." An den Finanzmärkten sorgte die Aussicht auf ein Bündnis der populistischen Bewegungen erneut für Verluste.
Lega-Chef Matteo Salvini erklärte, man habe sich auf eine annehmbare Person mit tadelloser beruflicher Erfahrung geeinigt. Den Juraprofessor Conte nannte er allerdings nicht beim Namen. Der Wahlsieger 5 Sterne und die drittplazierte Lega hatten zehn Tage lang über ein Regierungsprogramm verhandelt. Di Maio und Salvini wollten verhindern, dass der jeweils andere Regierungschef wird, weil die unterlegene Partei dann Juniorpartner gewesen wäre.
Dass ein nicht gewählter Experte die Regierung leitet, ist in Italien nicht ungewöhnlich. Angestoßen wurde dieses Modell aber in der Vergangenheit durch den Präsidenten, um das Land aus einer Krise zu führen. Die Ministerpräsidenten suchten sich dann ihre Kabinettsmitglieder aus und setzten eigene Themen.
5 Sterne und Lega planen für das Euro-Land höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Rentenreform. Das würde viele Milliarden Euro kosten. Vertreter anderer Euro-Staaten und der EU-Kommission sind daher in Sorge. Auch an den Finanzmärkten herrscht Unruhe. Am Montag stieg der Risikoaufschlag, den Investoren für italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen verlangen, auf den höchsten Stand seit Juni 2017. Die Mailänder Aktienbörse gab um 1,5 Prozent nach.
Italien hat im Vergleich zur eigenen Wirtschaftsleistung einen Schuldenberg von 130 Prozent. Dieser Wert wird in der Euro-Zone nur von Griechenland übertroffen, das mit Milliardenpaketen der anderen Mitgliedsländer vor der Pleite gerettet wurde. Salvini sagte am Montag, man müsse die neue Regierung nicht fürchten. Ziel sei es, dass Wirtschaftswachstum anzukurbeln, um so die Verschuldung zu senken.
EZB-VERTRETER BESORGT
EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny äußerte sich über das Bündnis skeptisch. "Ich hoffe, dass sich in der Praxis ein klügerer Ansatz ergeben wird als das, was heute in den Zeitungen steht", sagte der österreichische Notenbankchef. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte die Einhaltung der Haushaltsverpflichtungen gefordert. Sollte sich Italien nicht daran halten, sei die Stabilität in der Euro-Zone in Gefahr. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich ähnlich.
Bisher wird die italienische Regierung von den Sozialdemokraten geführt. Sie fuhren bei der Wahl im März aber hohe Verluste ein und wollen in die Opposition gehen. Sollte das Bündnis der beiden populistischen Parteien zustande kommen, könnte Di Maio Arbeits- und Sozialminister werden und in dem Amt ein Grundeinkommen für Arme einführen. Salvini dürfte das Innenministerium übernehmen, das für die Einwanderungspolitik zuständig ist. Die Flüchtlingskrise der vergangenen Jahre war ein Grund, warum die Lega noch vor der Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi landete.