- von Philip Blenkinsop und Robert-Jan Bartunek
Brüssel (Reuters) - Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) wackelt.
Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland brach am Freitag die Gespräche mit der Regierung der belgischen Region Wallonien ab, an deren Nein zu Ceta der Vertrag zu scheitern droht. "Es scheint für mich und Kanada offensichtlich, dass die Europäische Union derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen abzuschließen", sagte Freeland zu Reportern. "Nicht einmal mit einem Land, das europäische Werte teilt wie Kanada." Die belgische Zentralregierung ist zwar wie die der anderen 27 EU-Länder für das Abkommen. Ihr sind aber die Hände gebunden, solange Wallonien seine Zustimmung weiter versagt. Ceta wiederum kommt auch nur dann zustande, wenn es alle EU-Staaten unterzeichnen. Ein Vertreter der EU-Kommission sagte, man gehe in der Brüsseler Behörde davon aus, dass dies nicht das letzte Wort sei.
Führende EU-Politiker hatten sich zuvor noch zuversichtlich gezeigt, dass es bis zur geplanten Vertragsunterzeichnung am Donnerstag doch noch zu einer Einigung kommt. "Ich bin optimistisch dahingehend, dass man bei Ceta vielleicht noch eine Lösung findet", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel. "Ich verliere nicht die Hoffnung", sagte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, in den nächsten Tagen noch eine Lösung mit unseren wallonischen Freunden zu finden." Denn das Abkommen mit Kanada sei das beste, "das wir je ausgehandelt haben". Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette sah nach stundenlangen Verhandlungen mit Vertretern der EU und Kanadas zwar Fortschritte, aber wegen der strittigen Frage der Schiedsgerichte noch keine Einigung.
Das Parlament des gut 3,5 Millionen Einwohner zählenden Walloniens, das nicht einmal ein Prozent der mehr als 500 Millionen EU-Bürger repräsentiert, hatte Ceta vorige Woche mit großer Mehrheit abgelehnt. Kritiker befürchten Nachteile für die Wirtschaft - etwa für Bauern durch billige Fleischimporte. Während es in dieser Frage Fortschritte gegeben habe, konnte der Streit über die Schiedsgerichte noch nicht beigelegt worden. Hier befürchten Gegner, dass diese von großen Konzernen zu deren Gunsten ausgenutzt werden könnten - etwa um Einfluss auf die Politik zu erhalten und missliebige Reformen zu stoppen. Dies war Gegenstand der Verhandlungen Freelands mit der wallonischen Regionalregierung.
VERLIERER DER GLOBALISIERUNG
Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erhoffen sich von dem seit 2009 verhandelten Pakt mit Kanada mehr Handel und Wachstum durch den Abbau von Zöllen und durch einheitliche Standards. Befürworter gehen davon aus, dass dadurch das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union um jährlich zwölf Milliarden Euro gesteigert werden könnte und neue Arbeitsplätze entstehen. In Wallonien werden diese Argumente argwöhnisch verfolgt. Die Provinz - einst mit Kohle und Stahl zu Reichtum gekommen - fühlt sich als Verlierer der Globalisierung, durch die viele Jobs nach Asien verlagert wurden. Erst im September kündigte der US-Baumaschinenkonzern Caterpillar (NYSE:CAT) an, 2000 Stellen in seiner wallonischen Fabrik zu streichen.