Berlin (Reuters) - Union und SPD streiten über eine Lockerung der Rüstungsexporte. Dabei geht es sowohl um den am 9. März auslaufenden Stopp für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien als auch um deutsch-französische Absprachen für geplante künftige gemeinsame Projekte.
"Ich war doch irritiert, dass die Bundeskanzlerin schon mal ankündigt, dass es da Kompromisse geben muss", sagte SPD-Parteichefin Andrea Nahles am Dienstag zu Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel am Wochenende. Der britische Außenminister Jeremy Hunt wiederum beschwerte sich in einem Brief an seinen deutschen Kollegen Heiko Maas, dass britische Firmen unter dem deutschen Rüstungsexportbann zu leiden hätten.
Kurzfristig muss die Regierung klären, ob der Exportstopp für Saudi-Arabien verlängert werden soll, den die Bundesregierung im Januar nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi verhängt hatte. Davon sind nicht nur deutsche Waffen betroffen, sondern auch Gemeinschaftsentwicklungen etwa mit Frankreich und Großbritannien. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt forderte, dass man bei der Entscheidung zu Saudi-Arabien abgestuft vorgehen sollte. "Patrouillenboote etwa sind unproblematisch", sagte er zu Reuters. Für andere Rüstungsgüter könnte dagegen der Lieferstopp fortgesetzt werden.
Der CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Vincent Kokert, forderte gegenüber Reuters, dass "zur Not der Bund als Kunde einspringen" müsse, wenn aus politischen Gründen keine Waffen mehr an bestimmte Staaten geliefert werden. Hintergrund ist, dass von Saudi-Arabien bestellte Patrouillenboote nicht mehr ausgeliefert werden können.
Dagegen forderte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich eine Verlängerung des Exportstopps. "Die Gründe für die damaligen Entscheidungen bestehen bis heute fort. Unter diesen Umständen kann ich mir nicht vorstellen, dass das Moratorium nicht verlängert wird", sagte Mützenich zu Reuters.
NAHLES - WARTE AUF VORLAGE VON ALTMAIER
SPD-Chefin Nahles unterstrich, dass im Koalitionsvertrag eine Verschärfung der nationalen Richtlinien vereinbart sei. "Da warte ich auf eine Vorlage von Herrn Altmaier", sagte Nahles mit Blick auf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der für die Aufsicht über Rüstungsexporte zuständig ist. "Das ist das Erste, was ich jetzt mal sehen möchte." Die Union verweist dagegen darauf, dass mit der SPD im Koalitionsvertrag eben auch verstärkt gemeinsame Rüstungsprojekte mit EU-Partnern verabredet seien. Dies erfordere eine Harmonisierung der Rüstungsexportrichtlinien in der EU. Die deutschen Regeln gelten aber als schärfer als die von Frankreich oder Großbritannien.
Für eine gemeinsame europäische Armee und eine gemeinsame Rüstungsstrategie seien gemeinsame Richtlinien notwendig, sagte auch Nahles. "Das sind aber mittelfristige Projekte, die wir hier anstreben." Die Grundlage für den Einstieg in Verhandlungen mit den europäischen Partnern seien die deutschen Richtlinien, die zunächst verschärft werden müssten.
"Ich bin tief besorgt über die Auswirkungen der deutschen Regierungsentscheidung auf die britische und die europäische Rüstungsindustrie", zitiert "Spiegel Online" aus dem Brief des britische Außenministers Hunt an Maas. "Der Brief zeigt, dass Deutschland mit seiner gegenwärtigen Rüstungsexportpraxis die Fähigkeit zur Partnerschaft mit seinen engsten europäischen Verbündeten verliert", sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien. Airbus-Chef Tom Enders hatte im Reuters-Interview gedroht, das Unternehmen könnte notfalls künftig "German free products" bauen müsse.