- von Crispian Balmer
Rom (Reuters) - Italiens Präsident Sergio Mattarella hat dem Politik-Neuling Giuseppe Conte den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt.
Der bis vor kurzem weitgehend unbekannte Juraprofessor soll eine EU-kritische Koalition der populistischen 5-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen leiten. "Ich werde der Verteidigungsanwalt des italienischen Volks sein", kündigte Conte am Mittwoch an. "Ich bereite mich jetzt vor, die Interessen aller Italiener überall, in Europa und international, zu verteidigen." Die Regierung müsse sich umgehend in die laufenden Verhandlungen über den Haushalt der Europäischen Union einschalten, die Reform der Asyl-Gesetzgebung und die Vervollständigung der Bankenunion. "Ich beabsichtige, dass die Richtung, die wir einschlagen, nationale Interessen widerspiegelt."
5 Sterne und Lega hatten sich am Freitag auf ein Regierungsbündnis verständigt. Vorausgegangen waren wochenlange ergebnislose Gespräche zwischen allen Parteien, nachdem die Wahlen im März keinen klaren Gewinner hervorgebracht hatten. Die beiden Anti-Establishment-Parteien planen unter anderem höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Rentenreform, mit der das Rentenalter heraufgesetzt werden sollte. In ihrem Regierungsprogramm haben sie vereinbart, die Konjunktur mit "begrenzten" schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben zu wollen. Sie fordern eine Überprüfung der EU-Haushaltspolitik sowie des Euro-Stabilitätspakts. Den Bürgern versprechen sie ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat.
Das Programm der angestrebten italienischen Regierungskoalition stößt bei der EU-Kommission auf scharfe Kritik und nährt Sorgen vor einer neuen Euro-Krise. "Vor dem Hintergrund seiner systemischen Bedeutung ist Italien eine Quelle von potenziellen, signifikanten Auswirkungen auf den Rest der Euro-Zone", erklärte die Kommission in ihren länderspezifischen Empfehlungen. Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis forderte von der designierten neuen Regierung eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik. Italien müsse weiter seine hohen Staatsschulden abbauen und Strukturreformen fortsetzen, sagte er. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici sagte, es müsse eine vertrauenswürdige Antwort der Regierung auf die Schuldenfrage geben.
Sorgen um die künftigen Beziehungen Italiens zur EU belasteten auch die europäischen Finanzmärkte. Bei den italienische Staatsanleihen ging der Ausverkauf weiter, und auch der Euro geriet unter Druck. "Italien ist die Achillesferse der Euro-Zone", sagte Analyst Eugen Keller vom Bankhaus Metzler.
Neben den höheren Sozialausgaben und den Steuersenkungen hatten in der vergangenen Woche Überlegungen der beiden Parteien für Aufregung gesorgt, die EZB um den Erlass von Schulden in Höhe von 250 Milliarden Euro zu bitten. Italien ist in der Euro-Zone das Land mit der höchsten Staatsverschuldung nach Griechenland. Der italienische Arbeitgeberverband Confindustria forderte einen Abbau der Staatsverschuldung und die Schaffung von Bedingungen, die Wachstum und Beschäftigung förderten. Die designierte Regierung riskiere mit ihrem Programm die Vertrauenswürdigkeit des Landes, sagte Confindustria-Chef Vincenzo Boccia.
WIRD EIN EURO-GEGNER WIRTSCHAFTSMINISTER?
Zusätzliche Bedenken kamen wegen der Entscheidung der beiden designierten Koalitionspartner auf, den Posten des Ministerpräsidenten an Conte zu geben. Der Professor der Universität Florenz ist ein auf politischer Bühne bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er steht der 5-Sterne-Bewegung nahe und hat im Wahlkampf für den Abbau der Bürokratie geworben. Irritationen waren nach Medienberichten aufgekommen, Conte habe seinen Lebenslauf mit falschen akademischen Lorbeeren geschönt. Der Chef der 5-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio erklärte daraufhin, beide Parteien hielten an Conte fest.
Conte sagte, er werde ein paar Tage Zeit benötigen, um eine Kabinettsliste zu erstellen. Mit Spannung dürfte dabei verfolgt werden, wen er als Wirtschaftsminister auswählt. Die Lega will des 81-jährigen Volkswirt Paolo Savona auf dem Posten sehen. Dieser hatte Italiens Beitritt zur Euro-Zone als "historischen Fehler" bezeichnet. Er fordert einen "Plan B" für den Fall, dass ein Austritt aus der Währungsgemeinschaft nötig sein sollte. Allerdings ist Mattarella nach Angaben eines Insiders gegen einen euroskeptischen Wirtschaftsminister. Der Präsident kann mit einem Veto die Ernennung von Ministern verhindern.