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2022: Das Jahr des US-Dollars

Veröffentlicht am 08.09.2022, 16:54
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Stellen Sie sich einmal vor, die ganze Welt würde mit dem Euro handeln. Sie fliegen nach Indien und heben dort zu günstigen Konditionen Geld ab. Sie fliegen nach Nigeria und nehmen einen Euro-Kredit zu günstigeren Konditionen auf. Sie investieren an der australischen Börse zu günstigeren Preisen. Praktisch. Nun denken Sie mal daran, was das für Vorteile für die Länder der Eurozone hätte. Wie viel man dann mehr im Ausland investieren könnte. Oder die Exportsicherheit für Europa – nicht auszudenken. Diesen Vorteil hat die USA mit dem US-Dollar, welcher die dominante Leitwährung in der Welt ist. Dieser hat im letzten Jahr gegen nahezu alle großen Währungen an Wert gewonnen – eine markante Entwicklung, die kein Zufall sein muss.

2000 noch hielten die meisten Staaten über 70% an Dollarreserven in ihren Zentralbanken. 2021 waren es dann „nur noch“ knapp unter 59%. Zwar variiert das genaue Verhältnis bei den Zentralbanken, und diese wollen natürlich nicht immer ganz transparent sein, aber in den letzten zwei Jahrzehnten ist ein klarer Stärkeverlust des Dollars in der Welt zu erkennen. Wie oben beschrieben, bringt die Kontrolle über eine Leitwährung immens viele Vorteile. Günstigere Kredite, Wechselkurssicherheit, geminderte Transaktionskosten und politischer Einfluss über Wirtschaftszonen, die sich an die Leitwährung binden, sind dabei die augenscheinlichsten Vorteile. Diese bringen den USA jedes Jahr mehr als $100 Milliarden ein – nur dadurch, dass der Dollar einfach überall benutzt wird.

Aber welche weiteren Implikationen hat die Kontrolle einer Leitwährung? In diesem Artikel ging ich ja bereits auf die Wertzusammensetzung von Fiat-Währungen ein. Bei einer Leitwährung wird dieser Effekt von Vertrauen in die politische Stabilität nochmal amplifiziert. Das bedeutet, dass das Vertrauen in das politische Überleben und das Wachstum als Gesellschaft bei Leitwährungen sehr hoch ist. Im Fall der USA liegt das an der militärischen Überlegenheit, in Kombination mit der geographischen Isolation des Landes – es ist verdammt schwierig, die USA anzugreifen und einzunehmen. Entsprechend der Prämisse, dass alles, was nicht stirbt, wachsen muss (im Übrigen auch zentral für die Elliott-Wellen-Theorie), kann man die USA als sicher und überlebensfähig bezeichnen. Damals, als das Britische Pfund als Leitwährung fungierte, ging man davon aus, dass das Britische Reich zu groß war, um jemals unterzugehen. Dies bestärkt die Aussage, dass Währungen politische Stabilität abbilden.


Die meisten Länder lagern den Großteil ihrer Goldreserven in den USA.

Auch deswegen liegt ein Großteil der Goldreserven der meisten Länder in den USA, was dem US-Dollar einen zusätzlichen Vertrauensschub gibt. Es spricht also viel für den US-Dollar, weshalb die USA natürlich alles andere möchte, als diesen Status als Leitwährung loszuwerden. Wie oben beschrieben, ging die globale Benutzung des US-Dollars als Reserve zuletzt aber kontinuierlich zurück. Das dürfte für die USA eine alarmierende Entwicklung sein. Gerade mit Beginn der Pandemie sank der durchschnittliche Anteil an Fiat-Reserven in US-Dollar unter 60%. Es ist davon auszugehen, dass die USA dieses Problem angehen werden. Eine Möglichkeit ist die Wertsteigerung des Dollars, um ihn als Reserve wieder effizienter zu machen.

In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass der US-Dollar im letzten Jahr gegen jede der großen Währungen an Wert gewonnen hat. Euro, Schweizer Franken, Yen, Yuan, türkische Lira, kanadischer Dollar, australischer Dollar, britisches Pfund – sie alle sanken gegenüber dem Dollar, und das zum Teil mit massiven Verlusten von über 20%. Nur eine große Währung nahm aber über 20% gegen den US-Dollar zu: der russische Rubel. Jedenfalls hat der USD im letzten Jahr unterm Strich massiv an Wert gewonnen. Das sollte die Währung in Zukunft wieder attraktiver als Leitwährung machen. Auch Importe werden dadurch für die Nordamerikaner, und alle, die den Dollar benutzen, günstiger. Geringere Preise bedeuten mehr Konsum, was zu erneutem Wachstum führt.

Worauf nun die Wertsteigerung des Dollars zurückzuführen ist, ist eine ganz eigene Diskussion. Es könnte sein, dass massive Geldmengen vom Markt genommen wurden, was auch durch die Einbrüche an den Finanzmärkten bedingt sein kann. Jedoch liegt auch ein politisches Argument nahe. Oben beschrieb ich ja bereits, dass Fiat-Währungen politische Stabilität respektive Sicherheit widerspiegeln. Im aktuellen Umfeld des Ukraine-Konflikts, der Inflation und der Energiekrise kann auch die Wahrnehmung einer starken USA zu erhöhtem Vertrauen in der Welt geführt haben. Aus den Augen sollte man aber die Währungsthematik nicht lassen – hier wird es noch sehr spannend!

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