- Seit Anfang 2018 hat sich der Aktienkurs von 3M halbiert und erreichte kürzlich ein Neunjahrestief
- Durch die Brille eines Fundamentalisten erscheint die Aktie aufgrund des niedrigen Gewinnmultiples und einer Dividendenrendite von 5% günstig
- Während die Fundamentaldaten begründet erscheinen, steigt das Risiko einer massiven Mängelhaftung, weshalb die MMM sicher kein Schnäppchen ist
Zu Beginn des Jahres 2018 befand sich 3M (NYSE:MMM) auf einem Höhenflug. Im vorangegangenen Vierteljahrhundert lieferte die Aktie eine annualisierte Rendite von mehr als 12 %, einschließlich Dividenden. Sicher waren die meisten Investoren davon überzeugt, dass das Unternehmen das Potenzial hat, so weiterzumachen: So wurde die damals Aktie mit dem 20-fachen der erwarteten künftigen Gewinne gehandelt.
Seitdem ist die Aktie um ziemlich genau 50 % abgesackt. Es ist immer wieder reizvoll, einen solchen Einbruch als Kaufgelegenheit zu interpretieren. 3M genießt immer noch den Ruf eines großartigen Unternehmens. Industriewerte (NYSE:XLI) aller Couleur hatten es in diesem Jahr nicht leicht, in vielen Fällen sind die langfristigen Aussichten jedoch weiterhin intakt. Eine Dividendenrendite von 5 % ist auch für einkommensorientierte Anleger attraktiv.
Wenn man sich jedoch die Wachstumsaussichten und das externe Umfeld vergegenwärtigt, dann erscheint die 3M-Aktie plötzlich gar nicht mehr so verlockend.
Ja, die Aktie wird mit weniger als dem 12-fachen des diesjährigen Gewinns gehandelt, statt mit dem 20-fachen (und mehr) wie noch vor einigen Jahren. Dieser enorme Rückgang des Multiples lässt sich jedoch keineswegs auf die allgemeine Marktschwäche schieben. Es handelt sich schlicht und einfach nicht mehr um jenes Unternehmen, das zu kaufen man vor fünf Jahren glaubte.
Gewinne auf Talfahrt
In der Haussephase, in der 3M Anfang 2018 seinen Höchststand erklomm, gab es einen Grund für den Optimismus der Aktionäre: das Gewinnwachstum. Der Nettogewinn im Jahr 2017 war mehr als viermal so hoch wie 25 Jahre zuvor.
Und natürlich gibt es auch einen guten Grund für den Einbruch der Aktie in den letzten Jahren: mangelndes Gewinnwachstum. Im Jahr 2018 erzielte 3M einen bereinigten Nettogewinn von 6,3 Mrd. USD. Der Mittelpunkt der Prognosespanne für 2022, die nach dem in dieser Woche veröffentlichten Geschäftsbericht gesenkt wurde, impliziert einen bereinigten Nettogewinn von 5,85 Mrd. USD, was einem Rückgang von etwa 7 % im Vierjahreszeitraum entspricht.
Natürlich spielten auch einige externe Faktoren eine Rolle. Vor allem der stärkere US-Dollar ist ein Problem für 3M, das etwa die Hälfte seines Umsatzes außerhalb der USA erzielt. 3M ist mit dieser Herausforderung nicht allein - wie ich Anfang dieser Woche hier schrieb, befindet sich Johnson & Johnson (NYSE:JNJ) in einer ähnlichen Lage.
Allerdings kann die Währung allein eine dermaßen stagnierende Performance nicht erklären. Ebenso wenig wie Covid-19. Die Ergebnisse des Unternehmens befinden sich seit Anfang 2019 im Sinkflug. Im April desselben Jahres führten enttäuschende Q1-Ergebnisse zum größten Tagesrückgang bei MMM seit mehr als 30 Jahren, von dem sich die Aktie bis heute nicht erholt hat.
Warum die 3M-Aktie sicher kein Schnäppchen ist
Auch wenn die 3M-Unternehmensleitung gerne über kurzfristige Herausforderungen spricht, so lässt sich doch nicht leugnen, dass das externe Umfeld in den letzten vier Jahren eigentlich recht günstig war.
Während der Pandemie stieg die Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung von diesem Unternehmen. Sieht man von den ersten Monaten des Jahres 2020 ab, hat sich die Weltwirtschaft recht gut entwickelt. Dies ist ein zyklisches Geschäft. Dass die Ergebnisse in diesem Jahr einen Dämpfer erhalten haben, ist nicht sonderlich überraschend, allerdings hätte 3M auf dem Weg ins Jahr 2022 viel besser abschneiden müssen.
Es gibt durchaus Hoffnung, dass das Konglomerat die Kurve noch kriegen kann. Und genau das verspricht die Unternehmensleitung auch. Allerdings gibt es hier eine beunruhigende Parallele bei einem anderen US-Industrieriesen: General Electric (NYSE:GE). Bei GE begannen sich die Finanzergebnisse in den letzten zehn Jahren zu verschlechtern, was die Investoren zu der Hoffnung veranlasste, dass es sich lediglich um ein paar vorübergehende Probleme handelte. In Wirklichkeit verlor das Unternehmen seine Marktführerschaft, weshalb die GE-Aktie im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten fiel.
Auf absoluter Basis erscheint 3M zum jetzigen Zeitpunkt potenziell günstig genug, um ein solches Risiko einzugehen. Im mittleren Bereich der Prognose wird MMM mit dem 11,6-fachen des Gewinns und etwa dem 13-fachen des bereinigten freien Cashflow gehandelt.
Doch das sind Multiplikatoren, die zu einem wenig wachstumsstarken Unternehmen passen. Zurzeit ist 3M ein Unternehmen mit geringem Wachstum. Auch die Wall Street ist nicht besonders enthusiastisch: Das durchschnittliche Kursziel für MMM liegt bei 131 USD, was lediglich einem Kurspotenzial von etwa 11 % entspricht.
Quelle: Investing.com
Produkthaftung
So gesehen mag die 3M-Aktie attraktiv sein - nicht zuletzt wegen der Dividende -, aber bei Betrachtung der aktuellen fundamentalen Gegebenheiten überzeugt sie nicht wirklich. Diese Fundamentaldaten berücksichtigen auch nicht die erheblichen rechtlichen Risiken.
Insbesondere sieht sich 3M mit erheblichen Schadensersatzforderungen von Kriegsveteranen konfrontiert, die dem Konzern den Verkauf mangelhafter Ohrstöpsel vorwerfen. Ein Sachverständiger auf Seiten der Kläger bezifferte die potenzielle Gesamthaftung auf mehr als 100 Mrd. USD.
Natürlich ist diese Schätzung etwas einseitig, ein Analyst von Morgan Stanley schätzte den möglichen Schaden auf etwa 14 Mrd. USD - das sind aber immer noch mehr als 20 % der aktuellen Marktkapitalisierung des Unternehmens.
Man mag die Hoffnung hegen, dass sich diese Klagen in Luft auflösen werden. Aber in Anbetracht der Sympathie, die die Geschworenen den Army-Veteranen entgegenbringen werden, wird 3M nichts anderes übrig bleiben, als einen Vergleich zu schließen. Mit bereits 230.000 Klägern werden die Gesamtkosten erheblich sein. Allein die Verfahrenskosten werden sich zweifellos auf Hunderte von Millionen US-Dollar belaufen.
Wenn man dieses Risiko den ohnehin problematischen Fundamentaldaten hinzurechnet, hat 3M den Anlegern einfach nicht viel zu bieten. Ein Kursrückgang um 50 % ist im Kontext der Ergebnisentwicklung der letzten Jahre durchaus nachvollziehbar. Eine Dividende von 5 % kann eine weitere Schwäche nicht ausgleichen. Das makroökonomische Bild trübt sich ein, und in puncto Inflation ist kaum Besserung in Sicht. Selbst bei den derzeitigen niedrigen Kursen lässt sich MMM nur schwer zum Kauf empfehlen.
Offenlegung: Vince Martin besitzt keine der hier besprochenen Aktien.