Nach der Lockerung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Lock-Downs“ setzt die Konjunktur zur Erholung an. Zeitgleich sind die Bewertungen für Aktien massiv gestiegen. Noch sind die Investoren allerdings defensiv aufgestellt. In den Markt könnte noch viel Liquidität fließen. Das bietet Anlegern weiterhin Chancen. Dies gilt erst Recht für Aktien aus dem Gesundheitssektor. Diese sind relativ zum Gesamtmarkt historisch günstig bewertet. Wir stellen die Analyse von Alexander Chamier, apoAsset für die Südseiten der Börse München vor.
Die globale Konjunkturerholung hängt am seidenen Faden des Covid-19-Infektionsverlaufs
Die globale Konjunktur hat im zweiten Quartal 2020 bedingt durch die Covid-19-Pandemie einen schockartigen Einbruch erlebt. Auch Europa befindet sich aktuell in einer tiefen Rezession, vielleicht fällt der Rückgang noch stärker aus als in der Finanzmarktkrise 2008/2009. Die Regierungen der einzelnen Länder sowie die Zentralbanken haben weltweit rasch reagiert und massive geld- und fiskalpolitische Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, welche das Ausmaß der Finanzmarktkrise 2008/2009 überschreiten. Nachdem der gesellschaftliche und wirtschaftliche „Lock-Down“ im Zuge der Stabilisierung der globalen Infektionswelle gelockert werden konnte, werden Anzeichen sichtbar, dass sich die Konjunktur bereits auf dem Weg der Erholung befindet. Sollte eine große zweite Infektionswelle vermieden werden, ist von einer deutlichen Erholung im zweiten Halbjahr auszugehen. Aufgrund des sehr starken Einbruchs ist aber erst im Laufe des Jahres 2021 zu erwarten, dass die wirtschaftliche Aktivität das Niveau von Ende 2019 wieder erreicht.
Wir werden uns an höhere Bewertungen am Aktienmarkt gewöhnen müssen
Die Aktienmärkte sind aufgrund des globalen Konjunktureinbruchs im März regelrecht eingestürzt. Kursrückgänge um bis zu 38 Prozent (Quelle: Bloomberg; Index: ; Zeitraum: 19.02.2020-18.03.2020) in nur 4 Wochen haben sogar die Bewegungen aus dem Jahr 2008 in den Schatten gestellt. Allerdings haben Aktien fast ebenso schnell zur Erholung angesetzt. Getrieben von einer Stabilisierung der Infektionswelle und einer regelrechten Liquiditätsflut haben Aktien einen Großteil der Verluste bereits wieder ausgeglichen.
Die Kombination von stark reduzierten Gewinnprognosen und der jüngsten Aktienmarktrallye hat zu Bewertungen am Aktienmarkt geführt (Kurs-Gewinn-Verhältnis (KVG) in Europa: 17,9), welche wir bisher nur aus der Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre kannten (KGV auf Basis der geschätzten Gewinne; Quelle: MSCI, Thomson Reuters; Stand: 12.06.2020). Langfristig mag man zu Recht argumentieren, dass diese keine besonders attraktiven Einstiegsgelegenheiten bieten. Man muss sich aber vor Augen führen, dass das in Europa grassierende Negativzinsumfeld seit Jahren kaum Alternativen bietet. Dem Club der Niedrigzinsen sind die USA in den letzten 12 Monaten beigetreten. Am Immobilienmarkt haben wir ebenfalls eine Neubewertung in den vergangenen Jahren erlebt.
Insofern ist es gut vorstellbar, dass diese hohen Bewertungen am Aktienmarkt uns noch eine Zeit begleiten und erst durch den Anstieg der Unternehmensgewinne in den nächsten Jahren abgebaut werden. Auf kurzfristige Sicht ist bemerkenswert, dass taktische Stimmungs- und Positionierungsdaten trotz der stark angezogenen Bewertungen keine Warnsignale geben. Teilweise sprechen Positionierungsdaten noch für ein sehr defensives Agieren der Investoren – dies bietet Chancen. Es scheint noch eine Menge Liquidität an der Seitenlinie zu warten, welche in den Aktienmarkt kommen könnte. Sollte eine zweite Infektionswelle vermieden werden, sehen wir
daher mittelfristig, trotz der jüngsten Erholungsrallye, mehr Chancen für Aktien als für sichere Staatsanliehen.
Gesundheits-Aktien historisch günstig bewertet
Während die Aktienmarktbewertungen in den letzten Wochen teilweise Augenreiben und Bauschmerzen auslösen, erscheinen Gesundheitsaktien relativ günstig bewertet. Während die Unternehmensgewinne am Gesamtmarkt eingebrochen sind, haben sich die Gewinnschätzungen am Gesundheitsmarkt sehr stabil entwickelt. Entsprechend sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Gesundheitsaktien viel weniger als am Gesamtmarkt gestiegen. Die relative Bewertung von Gesundheitsaktien erscheint gegenüber dem Gesamtmarkt so günstig wie seit 10 Jahren nicht mehr (KGV auf Basis der geschätzten Gewinne Europa Healthcare 17,5 vs. Europa Gesamtmarkt 17,9; Quelle: MSCI, Thomson Reuters; Stand: 12.06.2020). Wir sehen daher für diese Branche nicht nur aufgrund des strukturell stärkeren Gewinnwachstums ein überdurchschnittliches Chance-Risiko-Verhältnis.