Trotz der aktuell positiven Markteinschätzungen der Analysten könnte die Kombination aus hohen Bewertungen und der Notwendigkeit kurzfristiger Portfolioanpassungen für Anleger zur unvorhergesehenen Herausforderung werden.
Besonders riskant ist dies angesichts der aktuellen Zunahme spekulativer und gehebelter Positionen an den Märkten. Es ist erstaunlich, wie schnell Anleger frühere Verluste durch übermäßige Risikobereitschaft vergessen und wieder auf die altbekannte Vorstellung zurückfallen: „Dieses Mal ist alles anders.“
Vor Kurzem habe ich einen Beitrag auf „X“ veröffentlicht, der die Marktentwicklung von 2021 mit der aktuellen Rallye 2023-2024 vergleicht. Vielleicht ist die Lage diesmal tatsächlich anders – dennoch sollte es niemanden überraschen, wenn sich die Geschichte letztlich doch wiederholt.
Eines der kurzfristigen Risiken für Anleger, die weiterhin optimistisch auf die Märkte blicken, ist die Kombination aus hohen Aktienbewertungen und der Notwendigkeit von Portfolio-Neugewichtungen. Diese Faktoren könnten in den kommenden Monaten die Marktstabilität belasten.
Daten aus dem Jahr 2023 zeigen, dass Investmentfonds in den USA Vermögenswerte im Wert von rund 19,6 Billionen USD verwalten, während börsengehandelte Fonds (ETFs) weitere 8,1 Billionen USD betreuen. Das deutet auf eine große Anzahl von Portfolios hin, die eine Mischung aus Aktien und Anleihen enthalten – und damit potenziell von bevorstehenden Anpassungen betroffen sein könnten.
Mit dem Jahresende in Sicht stehen viele Portfoliomanager vor der Aufgabe, ihre Bestände aufgrund von steuerlichen Überlegungen, Ausschüttungen und der jährlichen Berichterstattung neu zu gewichten. Ein Blick auf die Performance zeigt, warum: Der S&P 500 liegt aktuell rund 28 % höher als zu Jahresbeginn, während Investment-Grade-Anleihen, gemessen am iShares US Aggregate Bond ETF (NYSE:AGG), um vergleichsweise moderate 3,2 % gestiegen sind.
Diese ungleiche Wertentwicklung hat spürbare Auswirkungen auf die Portfolioallokation. Ein ursprünglich auf 60 % Aktien und 40 % Anleihen ausgerichtetes Portfolio hätte sich durch den starken Anstieg der Aktien automatisch auf etwa 65/35 verschoben. Um wieder auf die angestrebte 60/40-Balance zurückzukehren, müssten Portfoliomanager die Aktienquote um rund 5 % reduzieren und den Anleihenanteil entsprechend erhöhen. Solche Umschichtungen könnten in den kommenden Wochen zusätzlichen Verkaufsdruck auf die Aktienmärkte ausüben.
Je nach Ausmaß der Umschichtung könnte dies zu einem Abwärtsdruck auf Risikoanlagen führen und eine kurzfristige Marktkorrektur oder -konsolidierung auslösen.
Auch das Verhältnis von Aktien zu Anleihen verdeutlicht dieses Risiko.
In der Vergangenheit bewegte sich das Verhältnis zwischen Aktien und Anleihen typischerweise in einer Spanne von 1:1 bis 2,5:1. Doch seit der massiven Liquiditätsflut nach der Pandemie ist dieses Verhältnis stark angestiegen, da Anleger verstärkt auf risikoreiche Vermögenswerte wie Aktien setzten und sichere Anlagen wie Anleihen vernachlässigten.
Aktuell liegt das Verhältnis bei 6,5:1 – ein Niveau, das historisch betrachtet ungewöhnlich hoch ist und die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur steigen lässt. Es liegt nahe, dass sich dieses Ungleichgewicht früher oder später normalisieren wird.
Kurzfristig könnte jedoch ein Risiko bestehen: Da Aktien im Jahr 2024 deutlich besser abgeschnitten haben als Anleihen, könnten Vermögensverwalter in den kommenden Wochen gezwungen sein, ihre Portfolios neu auszubalancieren. Solche Umschichtungen könnten den Verkaufsdruck auf Aktien erhöhen und damit für eine spürbare Marktbewegung sorgen.
Aktuelle Bewertungen erhöhen das Risikoprofil
Ein weiteres kurzfristiges Risiko bleibt die Bewertung der Aktienmärkte bis ins Jahr 2025. Auch wenn Bewertungen kein präzises Instrument für „Market-Timing“ sind, geben sie dennoch einen klaren Hinweis auf die optimistische Stimmung unter den Anlegern.
Steigt das Vertrauen der Investoren in weiter steigende Kurse innerhalb der nächsten 12 Monate, ist es wenig überraschend, dass auch die Bewertungen in die Höhe schießen. Das spiegelt vor allem die Erwartung wider, dass zukünftiges Wachstum bereits jetzt eingepreist wird – ein typisches Muster in Phasen großer Markteuphorie.
Eine hohe Bewertung liegt dann vor, wenn die Aktienkurse ihren inneren Wert übersteigen. In solchen Phasen setzen Anleger auf ein deutliches Gewinnwachstum in den kommenden Monaten, das die gestiegenen Kurse rechtfertigen muss.
Wie im jüngsten #BullBearReport besprochen, erwartet S&P Global für 2025 einen Gewinnanstieg von 19,87 % – von 209,83 auf 251,53 USD je Aktie. Das liegt weit über dem historischen Durchschnitt des Gewinnwachstums seit 1900. Sollten sich diese Schätzungen bewahrheiten, würde das einen neuen Höchststand der Unternehmensgewinne markieren.
Eine ähnliche Entwicklung gab es zuletzt in den Jahren 1998-1999 – einer Phase, die vielen Anlegern bis heute im Gedächtnis geblieben ist.
In stark steigenden Bullenmärkten ist ein gewisser Überschwang keine Seltenheit, insbesondere wenn die Wall Street höhere Bewertungen rechtfertigen muss. Das grundlegende Problem dabei ist, dass solche optimistischen Prognosen in der Regel nur selten eintreffen. Ein Beispiel hierfür ist die Schätzung von S&P Global aus dem März 2023, die für das Jahr 2024 ein Gewinnwachstum von 13 % vorhersagte. Tatsächlich stiegen die Unternehmensgewinne jedoch nur um 9 %, während der Markt dennoch um fast 28 % zulegte. Mit anderen Worten: Der Kursanstieg im Jahr 2024 beruhte größtenteils auf einer Bewertungsausweitung und weniger auf tatsächlichem Gewinnwachstum.
Die aktuellen Schätzungen für 2025 liegen deutlich über der linearen Trendlinie aus dem Jahr 2014, während das tatsächliche Gewinnwachstum nahe an dieser Linie bleibt. Diese Diskrepanz legt nahe, dass die derzeitigen Schätzungen für 2025 möglicherweise auf etwa 225 USD pro Aktie korrigiert werden könnten, was einem realistischeren Gewinnwachstum von rund 7 % entspräche.
Der lineare Trend des Gewinnwachstums ist eng mit dem Wirtschaftswachstum verknüpft, was für Anleger eine zentrale Rolle spielt. Gerade diejenigen, die auf hohe Renditen im kommenden Jahr hoffen, sollten diesen Zusammenhang genau im Blick behalten.
Wenn die Stimmung und die Erwartungen die wirtschaftlichen Realitäten übersteigen, besteht die Gefahr einer Neubewertung. Die Aktien sind im Verhältnis zu ihren Gewinnen höher bewertet, was eine potenzielle Überbewertung vermuten lässt.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500, das zuletzt ein Niveau erreicht hat, das selbst optimistische Analysten skeptisch werden lässt. Es spiegelt die hohe Erwartungshaltung vieler Anleger wider – doch die Frage bleibt, ob diese Hoffnungen auch durch solide wirtschaftliche Daten gestützt werden können. Sollte die Realität hinter den Erwartungen zurückbleiben, könnten Aktienkurse empfindlich reagieren.
Ein Anstieg der Volatilität ist wahrscheinlich
Auch zum Jahresende bleibt die positive Marktstimmung erhalten. Allerdings könnte die Mischung aus hohen Bewertungen und der bevorstehenden Neugewichtung vieler Portfolios für mehr Schwankungen sorgen. Wie bereits erwähnt, könnten solche Anpassungen potenziellen Verkaufsdruck auf die Aktienkurse ausüben.
Besonders im Blick: die Technologiewerte aus den USA, die mittlerweile einen erheblichen Anteil in globalen Indizes ausmachen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in diesem Zusammenhang bereits gewarnt, dass die stark gestiegenen Bewertungen und die Konzentration auf einige wenige große Tech-Unternehmen Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte darstellen könnten.
Historische Daten zeigen klar: Märkte mit hohen Bewertungen sind anfälliger für Abschwünge. Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht das. Während der DotCom-Blase führten überzogene Erwartungen zu massiven Kursrückgängen, und auch vor der Finanzkrise 2008 waren Immobilien- und Aktienmärkte stark überbewertet. Die darauffolgenden Korrekturen trafen die Märkte mit voller Wucht.
Das zentrale Problem bleibt: Markteuphorie hält oft länger an, als es die fundamentale Logik rechtfertigen würde. Solche Übertreibungen können sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen, bevor die Realität die Märkte einholt. Aus diesem Grund behalten wir die jährliche Veränderungsrate der Unternehmensgewinne genau im Blick – ein entscheidender Indikator für die zukünftige Marktentwicklung.
Aktuell bewegt sich die jährliche Veränderungsrate auf einem Niveau, das wir in der Vergangenheit oft in der Nähe größerer Marktspitzen gesehen haben – also in „dünner Luft“. Sollte sich das Gewinnwachstum verlangsamen – und darauf deuten die Prognosen für 2025 hin – könnte dies auf eine bevorstehende Wachstumsumkehr und potenzielle Marktkorrekturen hinweisen.
Fazit
Angesichts der aktuellen Marktentwicklung und der Investitionsstrategien unserer Kunden sehe ich Neugewichtungen von Portfolios auf kurze Sicht als potenzielles Risiko. Zwar würde eine Umschichtung die Volatilität kurzfristig erhöhen, doch aus einer langfristigen Perspektive besteht kein Grund zur Sorge. Dennoch erfordert die überdurchschnittliche Aktienperformance im Jahr 2024 im Vergleich zu Anleihen eine Anpassung traditioneller 60/40-Portfolios. Der Verkauf von Aktien zugunsten von Anleihen könnte dabei kurzfristigen Abwärtsdruck auf die Aktienmärkte ausüben.
Eine größere Herausforderung stellen die aktuellen Bewertungen dar, insbesondere durch die enge Verbindung zwischen Unternehmensgewinnen und dem Wirtschaftswachstum. Zwar eignen sich Bewertungskennzahlen nicht als präzises Timing-Instrument, doch die gegenwärtig hohen Bewertungen spiegeln die gestiegene Zuversicht der Anleger und die Erwartung eines starken Gewinnwachstums wider.
Die Gewinnprognosen für das Jahr 2025 signalisieren ein Wachstum von fast 20 % – ein Tempo, das deutlich über den historischen Trends liegt. Ein ähnlicher Optimismus war bereits im Jahr 2023 zu beobachten. Damals blieben die Unternehmensgewinne zwar hinter den Schätzungen zurück, dennoch legten die Assetpreise deutlich zu. Diese Abkopplung zwischen Kursen und Fundamentaldaten ist am Markt nicht ungewöhnlich, lässt sich aber auf Dauer nur schwer durchhalten. Für 2025 sehen wir das Risiko, dass die Unternehmensgewinne den hohen Erwartungen nicht gerecht werden könnten.
Kurzfristig kann die Marktstimmung die Kurse zwar weiterhin stützen, doch macht sie den Markt auch anfällig für unerwartete externe Schocks. Wenn solche Ereignisse eintreten, kann es schnell zu starken Stimmungsumschwüngen kommen. Was genau einen solchen Wendepunkt auslöst, ist im Vorfeld schwer vorherzusagen – weshalb es an der Wall Street oft heißt: „Niemand hat das kommen sehen.“
Umso wichtiger wird es für Anleger im Jahr 2025 sein, Risiken sorgfältig im Blick zu behalten und eine flexible Strategie zu verfolgen, um auch in einem möglicherweise volatilen Umfeld sicher durch die Märkte zu navigieren.
- Stopp-Loss-Levels anpassen: Setzen Sie stringentere Stopp-Loss-Marken auf den aktuellen Unterstützungsniveaus, um potenzielle Verluste frühzeitig zu begrenzen und Gewinne zu sichern.
- Portfolios gegen Rückschläge absichern: Nutzen Sie geeignete Instrumente wie Put-Optionen, Short-Positionen oder inverse ETFs, um sich gegen größere Marktrückgänge abzusichern.
- Gewinne mitnehmen: Reduzieren Sie Positionen, die sich bereits stark positiv entwickelt haben, um realisierte Gewinne zu sichern und mögliche Rückschläge abzufedern.
- Verlierer konsequent verkaufen: Trennen Sie sich von schwachen Positionen, die nicht die erwartete Performance zeigen, um Kapital für attraktivere Anlagechancen freizusetzen.
- Cash-Reserven aufbauen: Erhöhen Sie die Barmittelquote im Portfolio und stellen Sie durch gezielte Umschichtungen sicher, dass die gewünschten Zielgewichtungen wiederhergestellt werden.
Einen Markt präzise zu „timen“, um genau am Höchststand zu verkaufen, ist nahezu unmöglich – selbst für die besten Profis. Stattdessen liegt der wahre Trick für langfristigen Erfolg darin, zu erkennen, wann es Zeit ist, Gewinne mitzunehmen und das Vermögen zu sichern.
Aktuell sehen wir genau diese Situation bei vielen Aktien: Nach beeindruckenden Kursgewinnen ist es ratsam, Risiken aktiv zu managen, anstatt auf die „letzten Prozent“ zu spekulieren. Wer bereit ist, frühzeitig zu handeln, sichert nicht nur seinen Erfolg, sondern verschafft sich auch die Flexibilität für neue Chancen.
Unser Tipp: Überprüfen Sie Ihre Positionen regelmäßig und seien Sie bereit, Gewinne zu realisieren, bevor der Markt das für Sie übernimmt. Wer die Risiken im Blick behält, bleibt auch 2025 auf der Gewinnerseite.