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Anleihen am Scheideweg

Veröffentlicht am 22.08.2016, 11:22
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„Ohne die EZB wäre die Bond-Ampel tiefrot.“
Manfred Hübner, Sentix-Weekly vom 14.08.2016

Staatsanleihen kennen nur eine Richtung. Der Anstieg begann im Jahr 1981 und setzt sich bis heute fort. Steigen die Anleihen, fallen die Zinsen. Mittlerweile haben sich Negativzinsen in Europa und Japan ausgebreitet.

Einen historischen Präzedenzfall gibt es nicht. Nie waren die Zinsen so niedrig oder gar negativ. Aus dem antiken Griechenland und dem Römischen Reich sind Zinssätze von 6 bis 10 Prozent überliefert. Der folgende Chart zeigt die Entwicklung der Rendite 10jähriger US-Staatsanleihen seit 1800.

Der Chart weist alle 30 Jahre einen Hoch- und einen Tiefpunkt auf, sodass eine zyklische Interpretation möglich ist. Danach würde – bezogen auf die USA – das Jahr 2012 mit einer Jahresendrendite von 1,75 Prozent das zyklische Tief darstellen. In diesem Fall wäre der 30-Jahres-Zyklus ein weiteres Mal bestätigt worden.

Notiert die US-Rendite zum Jahresende 2016 hingegen niedriger als 1,75 Prozent, dann wäre der Zyklus kaputt. Etwas Anderes wäre im Gange.

Der Chart offeriert zwei weitere Erklärungsansätze. Man beachte die exorbitante Zinsspitze des Jahres 1981. Alle früheren Zinshochs lagen unterhalb der 8 Prozent-Marke. Das Argument der damaligen hohen Inflationsrate zieht nicht, denn in den vergangenen 220 Jahren waren hohe Inflationsraten keine Seltenheit.

Nein, diese Spitze ist etwas Besonderes und erfordert anscheinend eine Untertreibung in Form besonders niedriger Zinsen. Das ist wie bei einem stark gedehnten Gummiband, das entsprechend hart zurückspringt. Der zyklische Charakter wäre nicht in Frage gestellt, denn nach dem besonders tiefen Tiefpunkt liefe das Gummiband – dann wohl entspannter – wieder nach oben.

Ein weiterer Erklärungsansatz ergibt sich aus der nachfolgend eingezeichneten gelben Linie. Wir haben sie über die Spitzen gezogen, ohne das Hoch von 1981 zu beachten.

Die Linie zeigt: In der Gesamttendenz lassen sich über die vergangenen 220 Jahre fallende Zinsen beobachten. Der Zeitraum um 1981 herum verzerrt das Bild. Im nächsten Aufwärtszyklus würde die Rendite 10jähriger US-Anleihen bei etwa 3,5 Prozent an die gelbe Linie stoßen. Viel Luft gäbe es nicht, der vielzitierte „Anleihencrash“ fände nicht statt.

Zwei Dinge sprechen dafür, dass die Zinsen innerhalb der kommenden Monate steigen und der Zyklus damit intakt bleibt. Zum einen fällt der von Sentix gemessene strategische Bias für deutsche Staatsanleihen (siehe Pfeil folgender Chart).

Quelle: Sentix

Zudem weisen zwei weitere von Sentix entwickelte Indikatoren (Overconfidence Index, Neutralität) auf ein Anleihenhoch = Renditetief hin. Die Europäische Zentralbank hält durch ihre Käufe dagegen und sorgt so für niedrige Renditen. Das klingt eingängig und plausibel.

Andererseits war es in der Vergangenheit so, dass die Ausweitung der QE-Maßnahmen durch die Fed (=Anleihenkäufe) regelmäßig zu steigenden Renditen führte, also zum Gegenteil dessen, was eigentlich beabsichtigt war. Dies erklärt sich aus der belebenden wirtschaftlichen Wirkung des QE mit in der Folge steigenden Zinsen. Ein weiteres Beispiel für das Nicht-Eintreten der beabsichtigten Wirkung offeriert der japanische Aktienmarkt.

Obwohl die japanische Zentralbank mittlerweile der fünftgrößte Aktienbesitzer im Nikkei Index ist, weist der japanische Leitindex ein Jahresminus von 13 Prozent auf. Damit ist er in nationaler Währung betrachtet einer der schwächsten Leitindizes weltweit. Die starke Aufwertung des Yen verschafft dem Nikkei in Dollar oder Euro gerechnet immerhin ein ausgeglichenes Ergebnis. Wer glaubt, dass direkte Aktienkäufe durch die EZB den DAX beflügeln würden, der schaue auf den Vorreiter Japan.

Es ist thematisch ein kurzer Weg zum Dollar/Yen und seiner historischen Parallelität zur Rendite 10jähriger US-Anleihen.

Dieser Parallelverlauf wird aktuell gestört, eine Divergenz tut sich auf. Die Rendite ziert sich, dem Abwärtssog des Dollar/Yen zu folgen (siehe Doppelpfeil obiger Chart).

Direkte Profiteure eines Renditeanstiegs wären Banken und Broker, aber auch Zykliker, Technologieaktien und der Energiesektor. Verlierer wären Dividendenersatzwerte wie REIT´s, Güter des täglichen Bedarfs, Versorger und Telekommunikationswerte. Die Charts der letztgenannten Anlageklassen zeigen obere Umkehrmuster, während die US-Sektoren, die wir als Profiteure des Renditeanstiegs aufgelistet haben, nahe ihren Jahreshochs notieren. Es scheint, als ob sich die Marktteilnehmer auf höhere Renditen vorbereiten, was bedeuten würde, dass der 30jährige Renditezyklus erhalten bleibt.

Die vier größten japanischen Banken, so schreibt Bloomberg, haben seit dem Jahr 2013 ihren Bestand an Staatsanleihen halbiert und müssen den Rest als Sicherheit (Collateral) halten. Wir nehmen an, dass in Europa gerade eine ähnliche Entwicklung stattfindet, so dass der Markt zunehmend illiquide wird.

Wenn aber das verkaufsfähige Material abnimmt, dann wird die Orchestrierung eines Anleihencrashes schwieriger. Wir sehen steigende Renditen – aber keinen Anleihencrash - in den kommenden Monaten als wahrscheinlichen Pfad an. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rendite 10jähriger US-Staatsanleihen ihre positive Divergenz zum Dollar/Yen halten kann.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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