Das Durchqueren von Peking, der Hauptstadt des als "Überwachungsstaat" bezeichneten China, weckt zwangsläufig Misstrauen. Die Stadt ist gespickt mit Kameras, Videoüberwachungssystemen, Sende- und Empfangseinrichtungen sowie Messgeräten. Metallkonstruktionen überziehen die Straßen und vor allem die Kreuzungen in Yizhuang New Town, ähnlich den Mautstellen auf europäischen Autobahnen.
Angesichts dieser beeindruckenden Überwachungsausstattung drängt sich die Vermutung auf, dass die über 100.000 Einwohner dieser Zukunftsstadt im südöstlichen Peking umfassend überwacht werden. Diese Vermutung wird verstärkt, da in diesem hochmodernen Stadtviertel viele westliche Besucher erwartet werden. Darüber hinaus könnten die gut ausgebildeten Fachkräfte, die in einem der mittlerweile 20.000 High-Tech-Unternehmen, Forschungszentren und Start-ups arbeiten, als interessante Beobachtungsobjekte dienen.
Ein Kleinwagen nähert sich einer Kreuzung, auf seinem Dach befindet sich ein Gehäuse mit Elektronik, aus dem eine Antenne herausragt. Der Fahrer in der Kabine sitzt entspannt zurückgelehnt, die Hände liegen nicht am Lenkrad. Dies könnte ein autonomes Fahrzeug sein, das jedoch noch von einer Kontrollperson begleitet wird. Andere Fahrzeuge passieren die Kreuzung mit leerem Fahrerhaus. Könnte hier die Erklärung für all diese Überwachungstechnologie liegen?
Autonomes Fahren erfordert Leit- und Kontrollsysteme, um sicher für Verkehrsteilnehmer zu sein. Dies ist ein legitimer Grund für die Datensammlung. Daher sollte zunächst das Misstrauen heruntergeschraubt werden, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. China konkurriert mit anderen Unternehmen, insbesondere aus den USA, um die Vorreiterrolle in der autonomen Fahrzeugtechnologie. In Yizhuang New Town, in der Beijing Economic-Technological Development Area (BDA), kann man die Fortschritte in diesem Bereich beobachten.
Das Pilotgebiet erstreckt sich über 225 Quadratkilometer Stadtgebiet, ergänzt durch 143 Kilometer Schnellstraßen, die hauptsächlich die Flughäfen der Hauptstadt Peking miteinander verbinden. Über 300 vollständig softwaregesteuerte, fahrerlose Taxis fahren derzeit im Testgebiet und können über eine Smartphone-App oder das chinesische Internet-WeChat genutzt werden. Diese Robotaxis sind bereits 80 Prozent günstiger als herkömmliche Online-Fahrdienste und haben bereits drei Millionen Passagiere befördert.
Es gibt auch autonome Busse, Lastwagen und Straßenkehrmaschinen. Während des Höhepunkts der COVID-19-Pandemie im Dezember 2022 führten unbemannte Einkaufs- und Lieferfahrzeuge rund 200.000 Auftragsfahrten in ganz China durch und versorgten drei Millionen Menschen. Es wird sogar darüber nachgedacht, in naher Zukunft autonom fahrende Sanitätsfahrzeuge, Streifenwagen und Zubringershuttles einzusetzen, wobei sich diese Maßnahmen derzeit in der Test- und Probephase befinden.
Das Forschungsinstitut für Smart Cities, das sich auch mit autonomem Fahren befasst, hat seinen futuristischen Sitz in der Pilotzone Yingzhuang New Town. Eine Vertreterin des Instituts erklärte, dass man schrittweise die Verkehrswege erschließt, insbesondere die Verbindungen zwischen den beiden internationalen Flughäfen von Peking. Von Flugsimulatoren-ähnlichen Stationen aus wird der Verkehr aus der Ferne überwacht, um beispielsweise bei ungewöhnlichen Ereignissen wie Unfällen eingreifen zu können.
Sie stellte Modelle der Straßenüberwachungseinrichtungen vor, die europäische Gemüter in Überwachungspanik versetzen, sowie Modelle von Autos "mit Augen und Ohren". Sie betonte, dass es ohne diese Modelle nicht möglich wäre, intelligente Fahrzeuge und Straßen, ergänzt durch präzise Karten, zuverlässige elektronische Netzwerke und Echtzeit-Clouds zu einer technologischen Experimentierplattform auf Stadtebene zu verknüpfen. Das 2019 gegründete Institut arbeitet mit großer Anstrengung und unter Einsatz von künstlicher Intelligenz an der Schaffung einer erstklassigen Demonstrationszone für autonomes Fahren mit erstklassiger digitaler Infrastruktur in der Smart City.
Die Vertreterin des Instituts betonte, dass die Qualität der eingesetzten künstlichen Intelligenz wichtiger sei als die Straßenbedingungen, insbesondere wenn es darum geht, die Sicherheit der selbstfahrenden Fahrzeuge in den verstopften Straßen Pekings zu gewährleisten. Der Weg dahin sei die schrittweise Optimierung der Straßeninfrastruktur, des Kartenmaterials und der Fahrzeuge und ihre anschließende Kombination.
Angesichts dieser Entwicklungen drängt sich die Frage auf, welche Auswirkungen die Einführung autonomer Fahrzeuge auf das Taxigewerbe und die Uber-Chauffeure haben wird. Beide Berufsgruppen könnten von der Bildfläche verschwinden, und es ist zu erwarten, dass dies in China keinen Widerstand auslöst. Die schlichte Antwort lautet: "Wir können den technologischen Fortschritt nicht aufhalten."
Aktuell sind die Kosten für die Aufrüstung herkömmlicher Autos mit den erforderlichen Sensoren hoch, hinzu kommen Gebühren für die Nutzung der Softwaresysteme. Laut dem chinesischen Maklerunternehmen Western Securities werden im Jahr 2023 voraussichtlich etwa 360.000 in China hergestellte Autos mit der Navigation-on-Autopilot-Funktion (NOA) ausgestattet sein. Derzeit können sie nur in Städten genutzt werden, die für NOA ausgestattet sind, nämlich Peking, Schanghai, Shenzhen und Guangzhou.
Die Frau vom Forschungsinstitut betonte, dass die Fortschritte langsam voranschreiten und dass Gesetze und Verkehrsregeln angepasst werden müssen. In Online-Fachforen kann man einen Eindruck von der langsamen technologischen Entwicklung in China gewinnen. Offenbar findet derzeit ein Wettrennen zwischen mehreren chinesischen Unternehmen um die Marktführerschaft statt, wobei das chinesische Start-up Haomo.AI plant, seinen städtischen NOA-Dienst bis Ende Dezember 2024 in 100 chinesischen Städten anzubieten.
Im Gegensatz dazu debattiert Europa über die Loslösung seiner Hochtechnologie-Entwicklung von China, um die Abhängigkeitsrisiken zu verringern. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Europa abgehängt wird und die chinesischen Entwicklungen in der Hochtechnologie immer weiter fortschreiten.
Und in der Tat sehen wir flächendeckende Probleme, wenn wir die Preischarts der deutschen Autohersteller ansehen. Die allermeisten befinden sich im freien Fall. Die Frage ist: Werden sie bald einen Boden ausbauen, oder wird es ein regelrechtes Massaker geben?