Anfang des Jahres kam eine Studie des Pestel-Instituts zu dem Ergebnis, dass 2023 ein Rekord-Wohnungsmangel drohen werde. Mit über 700 000 fehlenden Wohnungen würde es sich dabei, so die Studie, um das größte Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren handeln. Seit einiger Zeit hat die Baubranche hierzulande schon mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. Zuletzt machte Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia (ETR:VNAn) durch die Mitteilung auf sich aufmerksam, dass man den Bau von 60 000 neuen Wohnungen stoppen würde – aufgrund zu hoher Kosten. Am vergangenen Montag fand nun ein „Baugipfel“ in Berlin statt, auf dem insgesamt 14 Maßnahmen verkündet wurden.
Dieser „Gipfel“ wurde von zwei wichtigen Verbänden gewissermaßen boykottiert: Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft GdW sowie der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, Haus & Grund, nahmen nicht daran teil. So wurde bereits im Vorfeld medienwirksam dagegen protestiert. Axel Gedaschko, Präsident des GdW, sprach in Hinblick auf die Regierung und die angedachten Maßnahmen gar von „Wahrnehmungsverweigerung“, offenbar gibt es also grundsätzlich divergierende Ansichten, wie das Problem zu lösen sei.
Die vorgestellten Maßnahmen umfassen unter anderem Folgendes: Zunächst heißt es, der Dämm- bzw. Energiesparstandard EH40 sei nun „nicht mehr nötig“. Damit soll wohl der Baubranche entgegengekommen werden, welche diesen Standard seit Monaten kritisiert hatte. „Wir müssen die Standards senken und die Kosten runternehmen“, sagte hierzu Bundesbauministerin Klara Geywitz. Dann gibt es Steuervorteile, einen höheren „Klimabonus“ und eine verbesserte Förderung des KfW-Programms „Wohneigentum für Familien“. Außerdem soll den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden. Stimmen aus der Branche zeichnen als Reaktion auf die vorgestellten Punkte ein gemischtes Bild. „Wir gehen davon aus, dass wir zumindest den Niedergang aufhalten können.“, sagte etwa Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Hingegen Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, gab zu Protokoll: „Es zeigt sich, dass die 14 Punkte […] die Lage insgesamt nicht wesentlich verbessern werden.“
"Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der drängendsten sozialen Fragen unserer Zeit", heißt es zu Beginn des von der Regierung vorgestellten Maßnahmenpapiers. Sie selbst hatte es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt, dass pro Jahr 400 000 neue Wohnungen gebaut werden sollen. Im vergangenen Jahr wurde dieses Ziel verfehlt und angesichts der aktuellen Lage stellt sich natürlich die Frage, ob und wenn ja, wie dieses Ziel überhaupt noch zu erreichen wäre. "Es ist natürlich in einer Situation, wo Deutschland ein sehr, sehr geringes Wachstum hat, nicht realistisch, dass wir ein Wachstum im Bereich der Bauwirtschaft von 33 Prozent haben", so hierzu wieder Bundesbauministerin Klara Geywitz. Etwa eine solche Steigerung von 33 Prozent wäre aber nötig, um auf die 400 000 Wohnungen im Jahr zu kommen.
Auf etwas anderes wies Geywitz aber auch hin: Ein Hauptgrund dafür, warum aktuell so wenig gebaut werde, seien die gestiegenen Kapitalkosten, also die Bauzinsen. Dies jedoch liegt in den Händen der Europäischen Zentralbank (EZB), nicht in denen der Bundesregierung. Somit stellt sich die Frage, inwiefern das überhaupt veränderbar ist. Geywitz sprach von einer „Glaskugel“, die nötig sei, um die Entwicklung der Zinsen abzusehen. Der Kanzler Scholz verteidigte die Zinserhöhungen der EZB derweil prinzipiell als richtig. Nachdem die EZB den Leitzins im September erneut erhöht hatte, schloss die Präsidentin Christine Lagarde weitere Erhöhungen nicht aus und verwies dabei auf die Datenentwicklung. Es ist also noch nicht sicher, ob der „Zinsgipfel“ bereits erreicht ist. Eine weitere Erhöhung der Zinsen würde abermals höhere Baukosten bedeuten. Andernfalls hätte die EZB theoretisch die Möglichkeit, gegenzusteuern und die Zinslast zu senken.
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