Die Volatilität am Aktienmarkt hat seit Anfang September deutlich zugenommen: Der S&P 500 fiel zunächst um fast 6 %, nur um sich dann wieder rasch zu erholen.
Bei der weiteren Marschrichtung an der Börse werden die Firmenbilanzen eine zentrale Rolle spielen, schließlich brauchen die Anleger so viele Anhaltspunkte wie möglich von den Unternehmen und ihren Prognosen, um sich ein vollständiges Bild vom aktuellen Zustand der Wirtschaft machen zu können.
Auf den Weg in diese Berichtssaison hatten die Gewinnschätzungen für den S&P 500 im Wesentlichen stagniert, und die Unsicherheit in Bezug auf künftige Gewinne war gestiegen. Nicht nur die Gewinnschätzungen hatten zu kämpfen, auch die Umsatzschätzungen zeigten Anzeichen von Schwäche. Dass höhere Kosten sich negativ auf die Gewinne auswirken könnten, ist nachvollziehbar, aber die Umsatzschätzungen deuten vielleicht doch auf etwas Größeres hin.
Die US-Wirtschaft hat sich im dritten Quartal offenbar deutlich abgeschwächt. Zwischenzeitlich war ein Wachstum von fast 7 % prognostiziert worden. Die jüngsten GDPNow-Modelle der Atlanta Fed deuten jedoch darauf hin, dass das dritte Quartal nur noch ein Wachstum von 0,5 % aufweist. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums dürfte zweifelsohne einen großen Anteil daran haben, dass die Gewinn- und Umsatzschätzungen Anfang September ins Stocken geraten sind.
Die Gewinnschätzungen sind gesunken
Kürzlich sind die Gewinnschätzungen für die Jahre 2021 und 2022 auf 197,67 bzw. 216,01 Dollar gesunken. Seit Beginn der Berichtssaison haben sich diese Werte zwar wieder etwas erholt, aber damit sie wieder ihre alten Höchststände erreichen und darüber hinaus steigen, kommt den Prognosen der Unternehmen eine noch größere Bedeutung zu.
Umsatzschätzungen sinken
Noch überraschender ist, dass die Umsatzschätzungen für 2021 stetig gesunken und für 2022 unverändert geblieben sind. Damit die Gewinnschätzungen wieder beständig steigen, müssen die Umsatzprognosen ihren Trend umkehren oder die Margen müssen sich ausweiten. Dass die Margen bei steigenden Input-Kosten nennenswert zunehmen werden, ist jedoch nur schwer vorstellbar.
Gewinnunsicherheit nimmt zu
Diese Mischung aus einem langsameren BIP-Wachstum, stagnierenden Gewinnen und sinkenden Umsätzen erhöht die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Gewinnschätzungen, insbesondere wenn man ihre Standardabweichung betrachtet. Die Standardabweichung ist seit dem Tiefstand vom 24. Februar auf etwa 13,2 % gestiegen. Dies signalisiert, dass die Analysten zahlreiche verschiedene Meinungen darüber haben, wie sich die Gewinne entwickeln könnten.
Damit sich all diese Faktoren zugunsten des Marktes entwickeln, braucht es positive Prognosen, die zu einer Anhebung der Konsensschätzungen führen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den S&P 500 ist wieder auf das 21,1-Fache der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate gestiegen, was den höchsten Stand seit Anfang September darstellt und ein Hinweis darauf ist, dass die Anleger auf steigende Gewinnschätzungen in der Zukunft setzen.
Sollten die Umsätze und Gewinne nicht so ausfallen, dass sie höhere Aktienkurse unterstützen, dürfte sich die jüngste Erholung von den Oktobertiefs als nicht haltbar erweisen. Dadurch würde das KGV wieder auf diese niedrigeren Niveaus sinken und möglicherweise einen weiteren Rückgang des KGV einleiten. Angesichts der sich abschwächenden Gewinn- und Wachstumsraten ist das historisch hohe KGV des S&P 500 nur schwer zu halten.
Die laufende Berichtssaison könnte sich für den Aktienmarkt daher als erster echter Test erweisen.