von P. Cohen
Der Artikel erschien im englischen Original unter dem Titel 'Chart Of The Day: Politics, Economics Play Tug-Of-War With EUR' am 20.11.2017 auf investing.com
Widersetzliche Kräfte kämpfen um den Eurokurs
Für einen technischen Analysten ist es faszinierend zu beobachten, was derzeit mit dem Euro passiert.
Die Kräfte, die gegenwärtig den Kurs der Gemeinschaftswährung bestimmen sind die Politik und die Konjunktur. Was diese Dynamik so interessant macht ist, dass sie den Euro in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Eine weitere Ironie ist, dass beide Kräfte aus dem gleichen Land kommen—Deutschland.
Vor nunmehr fast zwei Monaten verlor Bundeskanzlerin Angela Merkel bei den Bundestagswahlen Ende September fast 20% an Zustimmung. Diese Stimmen wanderten in Richtung der AfD ab, einer rechtsnationalen, gegen Einwanderung positionierten Partei. Vom Wahlabend am 24. September bis zum 7. November fiel die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar um 3,35%. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Deutschland und im weiteren Euroraum, zusammen mit dem Abbau der Wertpapierkäufe der EZB sorgten danach für eine Erholung des Euros um rund 2,00%, was die Verluste nach der Wahl auf ungefähr 1,35% begrenzt hat.
Die Meldungen vom Scheitern der Koalitionsverhandlungen kurz vor Mitternacht wegen eines Streits über die Einwanderungspolitik (die der AfD die Plattform bot, die sie zur drittgrößten Partei im Bundestag machte) ließ den Euro im Asienhandel um 0,63% einbrechen. Zwischen 08:00 MEZ und 10:00 MEZ erholte dieser sich jedoch wieder und machte nicht nur seine Verluste wieder wett, sondern kletterte 0,8% über seinen Stand vor dem Ausverkauf in Asien. Dies wurde von positiven Daten aus Deutschland ausgelöst, wo der Index der Erzeugerpreise im Monatsvergleich und im Jahresvergleich auf Höhe der Erwartungen hereingekommen und um 0,3% bzw. 2,7% angestiegen ist.
Dennoch beide Kräfte kämpfen darum, den Eurokurs zu bestimmen.
Euro-Erholung unterbrochen
Die Erholung auf der Basis des anhaltenden Wirtschaftswachstum wurde unterbrochen, als der Kurs die Obergrenze eines Abwärtskanals erreicht hatte, in dem sich die Gemeinschaftswährung seit vergangenem Mittwoch bewegt hat. Dieser Kanal repräsentiert all die bekannten und unbekannten Gründe, die die Investoren zum Abstoßen des Euros bewegt haben. Der Kampf um die Kanalobergrenze, der das Niveau markiert, wo es mehr Verkäufer als Käufer gibt, demonstriert die Unentschiedenheit, wie die politische Instabilität zu bewerten ist, die möglicherweise auf die EU durchschlagen könnten, während der Brexit ausgehandelt wird und im Nahen Osten sich die Fronten verhärten.
Ein Ausbruch nach oben, mit einem Schlusskurs über 1,1810 würde nahelegen, dass das Wirtschaftswachstum den politischen Tumult überwiegt, während ein Schlusskurs unter 1,1780 andeuten könnte, dass der Euro seine frühere Kursdelle von 1,1730 neu austesten wird, bevor er sich wieder auf sein tiefstes Niveau seit den Wahlen von 1,1554 zubewegt, auf das er am 7. November gefallen war.
Handelsstrategien
Wiederaufnahme des Abwärtstrend: Leerverkaufen
Konservative Anleger sollten einen Schlusskurs unter 1,1780, eine Umkehr zur Kanalobergrenze und eine Bestätigung von deren Festigkeit durch einen Schlusskurs unter dem Kurs der vorangegangenen Stunde abwarten.
Moderate Anleger sollten einen Schlusskurs unter 1,1780 abwarten und vielleicht, abhängig von der Risikofreude, auch eine Rückkehr zur Kanalübergrenze, was einen besseren Einstiegskurs bieten würde.
Aggressive Anleger sollten schon jetzt auf dem Rücken des Abwärtskanals bei Handelsschluss leerverkaufen, wenn der Kurs in zwei aufeinanderfolgenden Stunden gefallen ist. Letzteres Kriterium dient dazu falsche Signale herauszufiltern.
Ausbruch nach oben: Kaufen
Konservative Anleger sollten auf einen Schlusskurs über 1,1810 warten, dem eine Umkehr zum Test der durchbrochenen Abwärtstrendlinie folgt, der die Unterstützung mit einem Schlusskurs über den Kurs der vorangegangenen Stunde bestätigt.
Moderate Anleger sollten einen Schlusskurs über 1,1810 abwarten und dann eine wahrscheinliche Kursumkehr nutzen, um einen besseren Einstiegskurs zu bekommen.
Aggressive Anleger könnten mit Käufen bei einem Schlusskurs über 1,1810 beginnen, wobei ein Stop-Loss bei 1,800 gesetzt werden sollte, da diese Marke psychologisch wichtig. Ansonsten könnte man das Limit auch bei 1,1780 setzen, abhängig von dem Marktumfeld.