Der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI) ist wohl einer der wichtigsten und am wenigsten beachteten Wirtschaftsindikatoren. Jeden Monat prüfen Ökonomen, Medien und Investoren verschiedene populäre Konjunkturindikatoren, vom Bruttoinlandsprodukt BIP über die Beschäftigung bis hin zur Inflation, um herauszufinden, wie sich die Märkte in naher Zukunft entwickeln werden.
Während Wirtschaftszahlen wie das BIP oder die monatlichen Beschäftigungszahlen (ohne Landwirtschaft) in der Regel für Schlagzeilen sorgen, ist der CFNAI meiner Meinung nach die wichtigste Statistik. Der CFNAI ist ein aus 85 Unterkomponenten zusammengesetzter Index, der einen breiten Überblick über die gesamte Wirtschaftsaktivität in den USA gibt, von Investoren und der Presse aber meist vernachlässigt wird.
Seit Jahresbeginn stiegen die Märkte bis in den Juli hinein stark an, da die Fed erneut in die Märkte eingriff, um regionale Banken zu retten. Und selbst als der Markt im Sommer einen Rückschlag erlitt, beschleunigte sich den Schlagzeilen zufolge das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal, was sich in einem Wiederanstieg der Unternehmensgewinne niederschlagen sollte. Sollten sich die jüngsten CFNAI-Werte jedoch als zuverlässig erweisen, sollten die Kapitalanleger ihre Wachstumsannahmen für das kommende Jahr revidieren.
Während die meisten Wirtschaftsdaten wie das BIP vergangenheitsbezogene Statistiken sind, ist der CFNAI ein vorausschauender Indikator, der anzeigt, wie die Wirtschaft voraussichtlich in den kommenden Monaten aussehen wird.
Diese Daten decken sich nicht mit dem jüngsten Wirtschaftsbericht des Bureau of Economic Analysis (BEA), wonach die Wirtschaft im 3. Quartal um 4,9 % gewachsen ist.
Was verrät uns also der CFNAI, was sich vom Wirtschaftsbericht des BEA unterscheidet?
Die "wichtigste Zahl" im Detail
Es ist wichtig, die Botschaft zu verstehen, die der Index vermitteln soll. So heißt es auf der Website der Chicago Fed:
"Der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI) ist ein auf monatlicher Basis erstellter Index zur Messung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität und des damit zusammenhängenden Inflationsdrucks. Null für den Index bedeutet, dass die Volkswirtschaft mit ihrer historischen Trendwachstumsrate expandiert; negative Werte weisen auf ein unterdurchschnittliches Wachstum hin, positive Werte auf ein überdurchschnittliches Wachstum".
Der Gesamtindex ist in vier große Unterkategorien unterteilt, die folgende Bereiche abdecken:
- Produktion & Einkommen
- Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Arbeitsstunden
- Privater Verbrauch & Wohnen
- Umsätze, Aufträge und Lagerbestände
Zum besseren Verständnis dieser vier kritischen Subkomponenten und ihrer Prognosekraft habe ich ein 4-Panel-Diagramm erstellt. Ich habe die Teilkomponenten des CFNAI mit den vier gängigsten Wirtschaftsberichten verglichen: Industrieproduktion, Beschäftigung, Wohnungsbau und privater Konsum. Um eine bessere Vergleichsbasis für die Konstruktion des CFNAI zu schaffen, habe ich eine jährliche prozentuale Veränderung für diese vier Komponenten verwendet.
Die Korrelation zwischen den Teilkomponenten des CFNAI und den zugrunde liegenden wichtigen Wirtschaftsindikatoren ist hoch. Daher ist dieser Indikator, auch wenn er wenig Beachtung findet, ein Indikator für die Gesamtwirtschaft. Er bestätigt nicht die weit verbreitete Ansicht einer "wirtschaftlichen Erholung", die das Gewinnwachstum bis ins nächste Jahr hinein antreiben wird.
Der CFNAI ist auch ein wesentlicher Bestandteil unseres RIA Economic Output Composite Index (EOCI). Der EOCI ist eine noch umfassendere Zusammenstellung von Datenpunkten, darunter die regionalen Aktivitätsindizes der Fed, der Chicago PMI, der ISM, Umfragen der National Federation of Independent Business und der Leading Economic Index. Auch der EOCI bestätigt, dass "Hoffnungen" auf eine unmittelbare Erholung der Wirtschaftstätigkeit wohl nicht gerechtfertigt sind. So heißt es dort:
"Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, deutet vieles auf eine bevorstehende Rezession hin. Diese Rezession ist aber noch nicht sichtbar. Das hat eine heftige Debatte zwischen Bullen und Bären ausgelöst. Die Bären sind der Meinung, dass eine Rezession noch vor uns liegt, während die Bullen eher auf ein "No-Landing"-Szenario oder eine Vermeidung der Rezession setzen. Selbst die Fed rechnet nicht mehr mit einer Rezession."
Doch wie kann angesichts der aggressivsten Zinserhöhungskampagne der Geschichte, tief inverser Renditekurven und anderer Indikatoren, die ihre Unvermeidlichkeit signalisieren, ein "No Landing" möglich sein?
In diesem sehr langfristigen Schaubild sind einige wesentliche Punkte zu beachten.
- Konjunkturabschwünge haben die Tendenz, sich relativ häufig von hohen Maximalwerten zu entfernen und kehren in der Regel in Richtung der 30er-Marke auf dem Chart zurück. Rezessionen treten immer dann auf, wenn die Werte dauerhaft unter der 30er Marke liegen.
- Der Finanzmarkt zeigt grundsätzlich richtige Preise, wenn schwächere Wirtschaftsdaten die Marktaussichten belasten.
Gegenwärtig signalisiert der EOCI-Index, dass in den kommenden Monaten eine weitere Kontraktion durchaus möglich ist, was nicht gut für die Asset-Preise ist, weil dann die Gewinnschätzungen und -prognosen für 2024 nach unten korrigiert werden.
Das Geheimnis ist die Streuung
Die Chicago Fed stellt auch eine Aufschlüsselung der Veränderungen der 85 zugrundeliegenden Komponenten in einem "Diffusionsindex" zur Verfügung. Im Gegensatz zum Index selbst ermöglicht die "Streuung" der Komponenten ein besseres Verständnis der breiteren Veränderungen innerhalb des Index selbst.
Dabei sind zwei Punkte zu berücksichtigen:
- Wenn der Diffusionsindex unter Null sinkt, fällt dies mit einem schwachen Wirtschaftswachstum und einer eindeutigen Rezessionen zusammen.
- Der S&P 500 hat in der Vergangenheit immer wieder Korrekturen und Bärenmärkte erlebt, die mit negativen Werten im Diffusionsindex einhergingen.
Der zweite Punkt sollte nicht überraschen, spiegelt doch der Aktienmarkt das Wirtschaftswachstum wider. Sowohl der EOCI (oben) als auch der CFNAI (unten) korrelieren mit der jährlichen Änderungsrate des S&P 500. Auch diese Korrelation sollte niemanden überraschen. (Die monatlichen Daten des CFNAI sind sehr volatil, weshalb wir zur Glättung einen 6-Monats-Durchschnitt verwenden).
Wie verlässlich ist die Korrelation? Zwischen der jährlichen Veränderungsrate des S&P 500 und dem 6-Monatsdurchschnitt des CFNAI-Index besteht ein R-Quadrat von 50 %. Vor allem aber signalisiert der CFNAI, dass der S&P 500 niedriger gehandelt werden sollte, um den Wirtschaftsdaten Rechnung zu tragen. Der CFNAI lag in der Vergangenheit häufiger richtig als der breite Markt.
Auch das derzeitige Niveau des Verbrauchervertrauens sollte die Investoren beunruhigen.
Stimmung - eher schwach
Die nachstehende Grafik zeigt unseren zusammengesetzten Index der Verbraucherstimmung. Er fasst die Werte der University of Michigan und des Conference Board in einem Index zusammen. Die schraffierten Bereiche ergeben sich, wenn der zusammengesetzte Index über 100 liegt, was mit steigenden Asset-Märkten einhergeht.
Dieser Index ist zwar in den letzten 18 Monaten zurückgegangen, liegt aber nach wie vor über dem Niveau früherer Rezessionen, was vermuten lässt, dass sich die Wirtschaft weiterhin durchwustelt. Das Problem ist die Divergenz zwischen der Stimmung der "Verbraucher" und der Stimmung der "CEOs“ - hier stellt sich die Frage, wem wir zuhören sollten.
"Ist es der Verbraucher, der hart arbeitet, seine Familie ernährt und versucht, über die Runden zu kommen? Oder ist es der CEO eines Unternehmens, der den besten Überblick über die wirtschaftliche Lage hat? Verkaufszahlen, Preise, Lagerhaltung, Forderungsmanagement, Begleichung von Rechnungen - ist das alles, was man über die heutige Wirtschaft wissen muss?"
Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen ist deutlich besser als die der Verbraucher. Das verleitet Optimisten und die Medien zur Annahme, die CEOs wüssten nicht, was sie tun. Unglücklicherweise sinkt das Verbrauchervertrauen in dem Maße, in dem es mit dem übereinstimmt, was die CEOs ihnen bereits mitteilen.
Was haben die CEOs den Verbrauchern gesagt, das ihre Stimmung so dermaßen vermiest hat?
"Es tut uns leid - wir finden Sie großartig, aber ich wir müssen Sie entlassen."
Trotz der jüngsten Besserung der Stimmung unter den CEOs seit Oktober, die mit einer starken Performance der Aktienmärkte einherging, bewegt sich die Stimmung immer noch auf dem Niveau vor einer Rezession. Nicht selten verbessert sich die Stimmung der CEOs kurz vor Beginn einer Rezession.
Der CFNAI erzählt die gleiche Geschichte: signifikante Divergenzen im Verbrauchervertrauen wirken sich schließlich auf den zugrunde liegenden Index aus.
Diese Abbildung deutet darauf hin, dass wir in den kommenden Monaten schwächere Beschäftigungszahlen und zunehmende Entlassungen sehen werden, wenn die Lehren der Vergangenheit auch für die Zukunft gelten..
Fazit
Die Medien mögen wohl auf ein "No Landing" hoffen, die Daten sagen uns aber etwas ganz anderes. In den historischen Daten des CFNAI und seiner Beziehung zum Aktienmarkt sind alle Aktivitäten der Fed berücksichtigt.
Der CFNAI und der EOCI berücksichtigen die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Wirtschaft sowohl in den vergangenen als auch in den vorausschauenden Indikatoren. Aus diesem Grund sollten Anleger das Risiko in ihren Portfolio etwas absichern, da die Daten nach wie vor auf ein schwächeres Wirtschaftswachstum hindeuten als allgemein erwartet. Der aktuelle Trend der verschiedenen Wirtschaftsdaten deutet nicht auf einen Aufschwung, sondern auf eine länger als erwartete Rezession und Erholungsphase hin.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein derart schwaches Wirtschaftswachstum für eine robuste Beschäftigung bzw. höhere Löhne nicht förderlich. Stattdessen sollten wir erwarten, dass 2024 ein Jahr sein könnte, in dem die Unternehmensgewinne und -erträge die Anleger enttäuschen, weil sich die wirtschaftliche Schwäche fortsetzt.
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