Jerome Powell und seine Kollegen weisen immer wieder auf ihren Plan hin, die Zinssätze länger auf einem hohen Niveau zu halten. Ihr Ziel dabei ist es, das Wirtschaftswachstum zu bremsen und die Inflation auf das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie zurückzubringen. Der Fed sind dabei aber die Hände sehr stark gebunden, denn die Regierung kann sich die "higher for longer"-Haltung der US-Notenbank nicht mehr lange leisten!
In den letzten Monaten haben wir in vielen Blogbeiträgen und täglichen Kommentaren für den Kauf von Bonds geworben, so auch in unserem Artikel von letzter Woche, unserem kurzen Plädoyer für Bondkäufe. Der Beitrag bringt unsere Meinung auf den Punkt: "diesmal wird es nicht anders sein." Die pandemiebedingten Faktoren, die die Inflation und die Zinssätze in die Höhe trieben, sind einmalige Ereignisse. Wir glauben, dass die seit 40 Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Trends wieder zum Tragen kommen und die Renditen deutlich nach unten drücken werden.
Ein Leser entgegnete:
"Astronomische zukünftige Staatsdefizite und die zu ihrer Finanzierung erforderlichen Schulden könnten der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt."
Unsere Antwort: Wir sind uns einig, dass die staatlichen durch Defizite finanzierten Ausgaben und damit die Verschuldung nur noch zunehmen werden. Genau aus diesem Grund können es sich die Fed und die Regierung nicht leisten, das derzeitige Zinsniveau beizubehalten. Die Prognosen für die Haushaltsausgaben stärken uns nur noch in unserer Überzeugung, dass der Besitz von Anleihen zu den derzeit relativ hohen Renditen sinnvoll ist.
Wenn Sie mit unserer wirtschaftlichen Begründung für niedrigere Zinssätze nicht einverstanden sind, könnte die folgende Analyse Sie davon überzeugen, dass die Fed und die Regierung keine andere Wahl haben, als die Zinssätze zu senken.
Das Wichtigste in Kürze
- Dank der niedrigen Zinssätze konnte die ausstehende (US-)Staatsverschuldung viel stärker ansteigen als die Steuereinnahmen und das BIP, ohne dass es zu Problemen kam.
- Höhere Zinssätze stellen eine Bedrohung für das amerikanische Schuldensystem des Staates dar.
- Die Zinsausgaben werden innerhalb eines Jahres um über 200 Milliarden Dollar steigen, wenn die Zinssätze auf dem derzeitigen Niveau bleiben.
Das Schuldensystem
Seit 1970 sind die ausstehenden Staatsschulden von 370 Milliarden Dollar auf 31 Billionen Dollar geklettert. Ja, das ist ein astronomischer Anstieg, aber um fair zu sein, muss man ihn dem Wachstum der Wirtschaft und der Steuereinnahmen gegenüberstellen. Leider ist diese Wachstumsrate, selbst wenn man das BIP und die Steuereinnahmen betrachtet, obszön.
Seit 1970 ist die Staatsverschuldung nämlich viermal so schnell gewachsen wie das BIP. Schlimmer noch, die Steuereinnahmen sind noch weniger als das BIP gewachsen. Niedrigere Zinssätze konnten die erhebliche Kluft zwischen Ausgaben und Einkommen überbrücken. Seit 1970 ist die effektive Fed Funds von 8,5 % auf 3 % gesunken. Damit war die massiv wachsende Schuldenlast "bezahlbar."
Das Schuldensystem hat funktioniert, der jüngste Anstieg der Zinssätze hingegen stellt ein unüberwindbares Hindernis dar, wenn sie auf dem derzeitigen Niveau bleiben. Paradoxerweise sind wir auch aus diesem Grund optimistisch für Anleihen.
Das erste Schaubild zeigt den starken Rückgang der effektiven Fed Funds und den epischen Anstieg der ausstehenden Schulden.
Das folgende Schaubild zeigt, dass die Schulden viermal schneller gewachsen sind als die Zinsausgaben, das BIP und die Steuereinnahmen.
Und schließlich liegt die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP bei etwa 120 %, Tendenz steigend, da die Regierung ständig mehr Kredite aufnimmt als sie selbst einnimmt.
Die Umschuldung ist kostspielig
Seit dem rasanten Zinsanstieg Anfang 2022 ist die effektive Fed Funds um ein ganzes Prozent gestiegen. Die Verschuldung stieg im gleichen Zeitraum um 1,8 Billionen Dollar, die Zinsausgaben stiegen um 328 Milliarden Dollar. Von den 328 Milliarden Dollar waren nur etwa 50 Milliarden Dollar auf die Emission neuer Schulden zurückzuführen. Der Rest ist darauf zurückzuführen, dass das Finanzministerium fällig werdende Schulden durch die Emission neuer Schulden zu höheren Zinssätzen als die alten Schulden finanzieren muss.
Allein in der ersten Jahreshälfte hat das Finanzministerium nach Berechnungen der Securities Industry and Financial Markets Association (SIFMA) neue Schulden in Höhe von 9,9 Billionen Dollar begeben. Gleichzeitig stieg die Staatsverschuldung um etwas mehr als 1 Billionen Dollar an. 8,9 Billionen Dollar an neuen Schulden ersetzten alte Schulden.
Einige neue Schulden ersetzen ältere Schulden, die zu sehr niedrigen Zinssätzen aufgenommen wurden. Neue Schuldtitel ersetzen auch fällig werdende Treasuries, deren Zinssätze den heutigen ähneln. Und schließlich kann ein Teil der neuen Schulden, die die vor langer Zeit ausgegebenen Schulden ersetzen, zu einem niedrigeren Zinssatz aufgenommen werden.
Es gibt in diesem System viele Variablen. Folglich ist es nicht so einfach, vorherzusagen, wie sich steigende Zinssätze auf den Zinsaufwand auswirken. Dennoch sollten wir einen Versuch wagen.
Prognose für die nächsten 12 Monate
Mit der folgenden Analyse wollen wir zumindest annäherungsweise quantifizieren, wie sich die Emission von Schulden zur Finanzierung neuer Ausgaben und die Rückzahlung fälliger Schulden auf die Zinsausgaben des Bundes auswirken. Um die Auswirkungen näherungsweise zu bestimmen, gehen wir von folgenden Annahmen aus:
- Wir erwarten, dass die Fälligkeit der kommenden Anleiheemissionen dem Profil der bestehenden ausstehenden Anleihen entsprechen wird.
- Da nicht marktfähige Schulden, die etwa ein Viertel der Staatsverschuldung ausmachen, weder eine Rendite noch eine Laufzeit haben, gehen wir davon aus, dass sich ihr Zinsaufwand proportional zu dem der marktfähigen Schulden verändert.
- Das Haushaltsdefizit, also der neue Finanzierungsbedarf, wird 1,8 Billionen Dollar betragen.
- Alle Daten wurden mit Genehmigung des Finanzministeriums mit Stand Ende Juni 2023 veröffentlicht.
- Die Prolongation von TIP-Schulden hat keine Auswirkungen, da die Renditen an die Inflation gekoppelt sind.
- Der Zinssatz der variabel verzinslichen Anleihen wird alle drei Monate neu festgesetzt.
In der nachstehenden Tabelle sind die Schulden nach Art (marktfähig oder nicht marktfähig) und Wertpapierklasse aufgeschlüsselt. Die Spalten auf der rechten Seite entsprechen in etwa den zusätzlichen Ausgaben für Schulden. Die vorletzte Spalte ist der neue Zinsaufwand aufgrund der zur Finanzierung des Defizits erforderlichen Schulden.
In der letzten Spalte wird der zusätzliche Zinsaufwand im Zusammenhang mit der Prolongation und der Ablösung fällig werdender Schulden berechnet. Wir berechnen den Betrag, indem wir die Höhe der Schulden mit der Differenz zwischen dem bestehenden und dem aktuellen Zinssatz multiplizieren.
Die gesamten Zinsausgaben des Bundes dürften in den nächsten zwölf Monaten um etwa 226 Milliarden Dollar auf über 1,15 Billionen Dollar steigen. Zum Vergleich: Vom 2. Quartal 2010 bis Ende 2021, als die Zinssätze nahe Null lagen, stiegen die Zinsausgaben um insgesamt 240 Milliarden Dollar. Noch erstaunlicher ist, dass die Zinsausgaben in den letzten drei Jahren stärker gestiegen sind als in den fünfzig Jahren davor.
Fazit
Das Ergebnis unserer Berechnung ist bei den derzeitigen Zinssätzen nicht finanzierbar. Mit den Zinssätzen vor 2022 ist die Zinsbelastung jedoch nicht allzu hoch. Was kann die Regierung - über das Finanzministerium und die Fed - tun?
Die Antwort ist einfach. Die Fed muss die Inflation jetzt ausmerzen und alles tun, damit gewährleistet ist, dass die Zinssätze wieder auf das Niveau von nahezu Null zurückkehren. Auf diese Weise gewinnt das Finanzministerium Zeit, um Schulden in einem Tempo auszugeben, das schneller ist als die Wirtschaft wächst. "Zeit gewinnen" ist die entscheidende Formulierung aus dem letzten Satz.
Das System ist auf lange Sicht nicht tragfähig und erfordert stets Niedrigzinsen und mehr QE. Irgendwann werden die Nullzinsen jedoch nicht mehr niedrig genug sein. Leider ziehen es die meisten Staats- und Regierungschefs vor, dieses Problem in die Zukunft zu verschieben und die Schuldenproblematik auf andere abzuwälzen.
Wir glauben daher, dass das Mantra der US-Notenbank in Kürze in "niedriger für länger" umformuliert wird!