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Die Sehnsucht nach der guten alten Zeit vor dem Euro

Veröffentlicht am 14.05.2020, 12:00

„Früher war alles besser!“ lautet ein bekanntes deutsches Sprichwort. Tatsächlich schauen viele von uns nostalgisch auf die 80er und 90er zurück. Was interessierte uns damals die „knubbelige“ europäische Verwandtschaft mit ihren Wirtschafts- und Finanzproblemen? Wir hatten doch unsere Industriekultur und unbestrittenen Stabilitäts-Helden, die Deutsche Mark und Bundesbank. 

Ja, die Hoffnung, dass der deutsche Stabilitätsglaube zur eurozonalen Religion wird, hat sich nicht erfüllt. Mit vielen Atheisten aus dem Süden hat Frankreich schon immer versucht, den Nord-Staaten die Stabilitätsheiligenfiguren wegzunehmen. Mit Erfolg: Die Verweltlichung nahm stetig zu. 

Jetzt in der Corona-Krise und zur sicher gerechtfertigten Verhinderung eines konjunktur- und sozialpolitischen GAUs säkularisieren sich die einst so heiligen Stabilitätsbekenntnisse weiter. Die Verschuldung der Eurozone insgesamt im Vergleich zu ihrer Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr auf über 100 Prozent steigen. Italien erreicht 160 Prozent. Und 2021 geht es munter weiter. Das sind Kriegsniveaus. 

Insbesondere Italien bräuchte langjährige Wirtschaftswunder, um diese Schuldenstände jemals wieder zurückzuzahlen. Zwar singt Katja Ebstein in einem ihrer Schlager „Wunder gibt es immer wieder“. Nicht aber in Volkswirtschaften, deren Standorte ohne Reformdünger auskommen müssen. 

Zweifeln Finanzmärkte jedoch an der Schuldentragfähigkeit, schießen normalerweise die Risikoaufschläge raketenhaft nach oben. Das wäre fatal. Früher oder später drohte Italien eine nicht mehr zu beherrschende Schuldenkrise, die weit über das Niveau der griechischen hinausgeht. 

Der Griff in die Schulden-Trickkiste… 

Um der Schulden-Falle zu entkommen, wird die bereits vorhandene Instabilität mit noch mehr Instabilität bekämpft. Ökonomen spielen bereits einen italienischen Schuldenschnitt durch, der von den Gläubigern u.a. durch Stundungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag geschultert werden müsste. Na, die würden sich freuen wie bei einer Zahnwurzelbehandlung. 

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Auch die Vergemeinschaftung von Schulden hängt weiter wie ein Damoklesschwert über Deutschland. Hier wird massiver Druck aufgebaut. Bei Ablehnung wären wir keine guten solidarischen Europäer. Deutschland hat in Italien bereits deutlich an Ansehen verloren. Dabei hat Berlin gerade für Italien schon viel Schulden-Gnade vor Stabilitäts-Recht walten lassen. Die Hand, die gibt, ist die erst, die gebissen wird.    

…oder Voodoo-Geldpolitik

Wenn man das alles nicht will, bleibt zur Schuldenlösung nur die EZB. Die gleichzeitige Schwemme von Staatsverschuldung und Anleihekäufen ist ja kein Zufall, sondern Absicht, um die Euro-Staaten über Wasser zu halten. Kürzlich hat Standard & Poor’s das Italien-Rating nur mit Verweis auf die zinsdrückende Liquiditätsflut im Investment-Grade-Bereich belassen. Mittlerweile wird sogar gefordert, die EZB möge bei Staatsanleihenerwerb auf Tilgung und Zinszahlungen verzichten. Wundert man sich da noch, dass jede Finanz- und Schuldendisziplin, jede Reformbewegung der Euro-Staaten, zur unbeweglichen Eisenbahnschwelle wird? 

Übrigens sollte man nicht zu viel Hoffnung auf die stabilitätsheilende Kraft des Bundesverfassungsgerichts setzen. Denn es hat Anleihekäufe de jure nicht als Staatsfinanzierung eingestuft, was dieses Instrument de facto zumindest als pandemische Notmaßnahme erlaubt.  

Überhaupt muss die Gefahr einer geldpolitisch betriebenen Inflationsbeschleunigung betrachtet werden, die wegen Schuldentragfähigkeit nicht mehr durch höhere Anleiherenditen ausgeglichen werden kann. Grämen wird sich darüber kein Politiker. Denn so werden, wie von Geisterhand, Schulden aufgefressen. 

Auch die Schuldenlösung über die EZB hat mit Stabilität so wenig zu tun wie ein Mercedes mit einem verrosteten Fahrrad. 

Zurück in die nationalstaatliche Zukunft?

Wer vor diesem Hintergrund noch von Europäischer Stabilitätsunion spricht, kann eigentlich nur Pinocchio heißen. Wir haben die Romanische Schuldenunion. Ist da nicht der Wunsch nach Wiedergeburt der deutschen Stabilitätskultur verständlich? Ist also die Abkehr von der Eurozone und die Rückkehr zu einer Bundesrepublik mit eigener Finanz- und Geldpolitik der letzte Notausgang? 

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Der Rückbau der Eurozone wäre eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit. Deutschland würde dramatisch auf-, die anderen Länder radikal abwerten. Der Export in die Nachbarländer käme wegen ihrer einbrechenden Kaufkraft und Wirtschaftsdepressionen zum Erliegen. Die mangelnden Abwertungsmöglichkeiten in der Eurozone haben Deutschland noch exportstärker als ohnehin schon gemacht. Das verschaffte uns Wohlstandsgewinne. Bei Auflösung des Währungsverbunds würden Anleihen aus Euro-Süd übrigens aus Bonitätsgründen so stark abwerten, dass sie deutsche Banken und Kapitalsammelstellen in den Ruin trieben. Und dann müsste eine neue Bundesbank stützend eingreifen wie jetzt die EZB für Italien & Co. 

Selbst wenn Deutschland bereit wäre, diesen extrem hohen Preis zu zahlen, stellt sich dennoch die Frage, wie ein Europa anschließend aussähe. Das frühere Europa der Nationalstaaten vor Einführung des Euros bis 1999 entwickelte sich doch nur so prächtig, weil der amerikanische Hütehund den europäischen Hühnerhof vor den Füchsen draußen beschützte. Und hatten die europäischen Staaten Streit untereinander - z.B. deutsche Wiedervereinigung oder Jugoslawien-Krieg - schlug der jeweilige US-Präsident auf den Tisch und sorgte wieder für Ruhe im europäischen Karton. Das hat Amerika sicher nicht aus Liebe zu uns, sondern aus Eigennutz getan. Europa sollte eine starke Frontregion zum Warschauer Pakt sein. 

Nicht zuletzt konnte Deutschland unter dieser Vollkaskoversicherung unbekümmert zum einzigartigen Beherrscher der Industriewelt werden und Wohlstand für alle schaffen. China war noch keine Konkurrenz.  

Nostalgie muss man sich leisten können

Doch hat sich seit Ende der 90er Jahre die weltpolitische und -wirtschaftliche Lage radikal verändert. Für die USA ist die Pazifikregion das neue Nonplusultra, auch weil da der neue Erzfeind sitzt. Das transatlantische Bündnis wird dagegen mehr und mehr zum Lippenbekenntnis. Mittlerweile ist der US-Präsident selbst zum reißenden Fuchs in Europa geworden. Wie soll denn da eine kleine Bundesrepublik allein gegen Amerika anstinken, den steigenden Druck aus Russland parieren und auch noch die wiederaufflammenden europäischen Urkonflikte aushalten? Und unsere Wirtschaftskraft? Industriell hat China uns teilweise ein-, technologisch vielfach sogar überholt. Als neuer Single in Europa wären wir nicht mehr einzig, sondern müssten artig immer mehr das hohe Lied Pekings singen, das den handelspolitischen Taktstock schwingt und mit 20 Mal mehr Menschen ohnehin viel mehr auf die geostrategische Waage bringt.   

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Deutschland als völlig unabhängiger Nationalstaat wäre heute leichte Beute für die Hegemone aus Amerika, Russland und dem Land des Lächelns. Uns in Deutschland verginge das Lachen. Die gute alte Zeit vor dem Euro kommt nicht mehr zurück. 

Auch wenn es Europa verdammt schwerfällt: Es ist dazu verdammt, zusammenzuhalten. Hierbei darf man es und seine Fehlentwicklungen selbstverständlich heftig kritisieren. Das tue auch ich weiter regelmäßig. 

Wer weiß, vielleicht ist jetzt die Zeit, die wir uns in 10 Jahren als gute alte Zeit zurückwünschen. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

Aktuelle Kommentare

Nun, wer dafür mitverantwortlich zeichnet, dass sich der Aktienkurs von Baaader von 45 EUr auf fast Pennystockniveau reduziert hat sehnt sich immer wieder nach der alten Zeit........
Sehr gute Volkswirtschaftl. Analyse. Nichts für Laien und Halbwissende. Sie glauben statt zu lernen, erkennen und zu wissen. Narrative und Geschichten überzeugen die wenig informierten eher, da sie mit Herzen und Bauch denken und weinger mit dem Kopf. Logik tut weh, weil es die schmerzlichen Realitäten aufzeigt und das eigene Versagen, zu lange zugeschaut zu haben und jetzt die Rechnung bekommt.
Seit wann ziehen wir den sch... ein? Ich lese aus dem Artikel folge richtig. wir haben nur eine möglichkeit auch in 10 jahren uns gut gehen zu lassen. wenn wir endlich die klein Staate rei sein lassen. so viel Europa wie möglich. nur zusammen sind wir stark. Wer das in dieser Zeit immmmer noch nicht verstanden hat. Nun ja es gibt noch alu helme 😇🥰
Und genau dieser Rückfall in die "Kleinstaaterei " wäre unsere Rettung. Ich habe im Laufe meines Lebens die Erfahrung gemacht das eine Nachbarschaft über den Zaun allemal besser und freundschaftlicher ist als eine ohne Zaun, wo man sich laufend bekriegt ! Wieso sollten wir von China abhängig sein und leichte Beute ? Das kann ich nicht erkennen. Hätten wir unsere Grenzen wieder würde ich auf alle Billigprodukte von dort und aus Asien wieder Zölle einführen. Die Absicht einer Firmenproduktion im Ausland würde dann flachfallen, da die Billiglohnländer nur noch dahin liefern könnten wo keine Zölle erhoben werden. Wo sollte das nach einem Zusammenbruch Europas sein ? Jeder einzelne Staat würde ebenso verfahren, die Zölle anheben und im eigenen Land produzieren. Wohin wollten die Asiaten dann noch liefern ? Firmenbeteiligungen wieder über 50% in Nationale Hand und mit Technischen Vorsprung punkten. Das hat 55 Jahre nach dem Krieg geklappt und würde sich wiederholen.Könnte noch viel ausführen
Was spricht eigentlich gegen eine politische Europäische Union mit nationalen Wärungen? Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Aufgabe der Gemeinschaftswährung sofort mit der Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft gleichgesetzt wird. Aus meiner Sicht ist genau das Gegenteil der Fall, je länger wir an einer gemeinsamen Zwangswährung festhalten, umso stärker wird der Unmut der Europäer untereinander. Die einen fühlen sich unfair behandelt, weil ihnen das europäische Währungskorsett zu eng ist und keine Luft zum Atmen lässt und die anderen, weil sie immer wieder zur Kasse gebeten werden, ohne etwas dafür zu erhalten. Am Ende riskieren wir damit, dass die guten und friedenstiftenden Gedanken eines gemeinsamen Europas auf der Strecke bleiben und wir tatsächlich wieder in Zeiten einer nationalen Kleinstaaterei zurück fallen. Ich würde mir wünschen, dass die verantwortlichen Politiker fähig wären, ihre ausgetretenen, bequemen Denkmuster zu verlassen.
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Robert,  wir kennen uns ja aus guten alten Analystenzeiten aus Frankfurt, ich hatte Dich zuletzt vor 3 Jahren in Deiner Firma besucht und hatten ansonsten auf Veranstaltungen kurze Gespräche. Meinen Euro-Pessimsus kanntest Du ja. Europa ja, aber Euro nein. Rein faktisch konnte das gar nicht mehr so weiter gehen.  Du weißt selber, dass sich Italien früher mit Abwertungen helfen konnte, heute müssen sie mangels Abwertungen Schulden aufbauen. Im Klartext. Einige wenige Länder müssen das bezahlen. Ich bin froh, Robert, dass Du den Zweckoptimismus durch neutralere Worte ablegst. Gruss Andreas.
.....ja mein Junge......endlich auch mal die Wahrheit auf den Tisch gebracht.....als...Das....Menü mit dem besonderen Niveau. ...der alte Haudegen....nach dem Dollar...die.....Ersatzwährung....genannt DM....die Deutsche Mark....vielleicht. ..aber nur vielleicht kommt sie wieder.....muss die große Pallast-Revolution erst einsetzen....und der Zerfall im Focus stehen.......bleibt nur die Hoffnung übrig....
Wie macht das eigentlich die Schweiz?
Denken Sie auch an Dänemark, Norwegen, Schweden, Polen, Tschechien und Ungarn.
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