Für die Märkte steht längst fest, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am morgigen Donnerstag den Einlagezins senkt und/oder eine Ausweitung des QE-Programms beschließt. Doch was könnten Mario Draghi und sein Team noch beschließen?
Zwei Kanäle für monetäre Impulse
Sal. Oppenheims Chefvolkswirt Dr. Martin Moryson ist der Meinung, dass sich monetäre Impulse über verschiedene Kanäle in die Realwirtschaft übertragen. So dürfte die Quantitative Lockerung der EZB vor allem über den Wechselkurseffekt und den Erwartungseffekt wirken. Der geschwächte Euro soll dafür sorgen, dass Produkte aus dem Euroraum im Ausland billiger angeboten und somit mehr nachgefragt werden können. Die Ankündigung von mindestens bis zum September 2016 getätigten Staatsanleihenkäufen soll den Marktakteuren in Aussicht stellen, dass die Zinsen zumindest bis 2017 faktisch bei null und Investitionen daher attraktiv bleiben. Gerade letzteres zeichnet sich aber durch sehr lange Übertragungswege aus, so Moryson in einem Marktkommentar.
Und daher solle es niemanden verwundern, dass die Inflationsraten noch nicht wieder da sind, wo die EZB sie gerne hätte. Zu stark wirkten sich bislang die tief gefallenen Rohstoffpreise und die Unsicherheit, die von der Entwicklung in China und vielen Schwellenländern ausgeht, dämpfend auf die Preisentwicklung aus.
Beides sind zwar Faktoren, die sich nicht direkt von der EZB beeinflussen lassen, doch sie wirken sich nur vorübergehend negativ auf die Inflationsraten aus. Dennoch wird die EZB wohl am 3. Dezember noch einmal tätig. Aber welche Optionen hat die EZB?
So kann die EZB den Umfang der Anleihenkäufe erweitern
Sie kann den Umfang der monatlichen Anleihekäufe auf drei Arten ausweiten: beim monatlichen Ankaufsvolumen, bei den Wertpapierarten und in der Laufzeit des Programms.
So kann die Höhe der monatlichen Ankaufvolumina zum Beispiel von aktuell 60 Mrd. Euro auf 75 Mrd. Euro erhöht werden, wie es die Citigroup erwartet (siehe unsere Analyse vom vergangenen Sonntag). Das ist zwar nicht so einfach möglich, weil der Markt einerseits ein begrenztes Angebot und sich die EZB andererseits eigene Grenzen gesetzt hat. Doch diese Grenzen wurden Anfang September bereits angepasst. So wurde das selbstgesetzte Maximum von 25% einer spezifischen Wertpapieremission auf 33% erhöht.
Zudem könnte die EZB eine deutliche zeitliche Verlängerung des Programms über den September 2016 hinaus anzukündigen. Allerdings hat sie das Programm nie bis zu diesem Zeitpunkt begrenzt, sondern stets betont, dass es MINDESTENS bis September 2016 läuft. Draghi kann hier also lediglich die Mindestlaufzeit verlängern und damit den Märkten mehr Sicherheit über die Dauer der Niedrigzinsphase geben.
Als dritte Aktion wäre eine Ausweitung des Programms auf andere Assetklassen möglich. Käufe von Unternehmensanleihen und Aktien wären dann der nächste Schritt, so der Sal. Oppenheim Chefvolkswirt Moryson. Allerdings wäre dies aus seiner Sicht auch ein beunruhigendes Signal, das die EZB so nicht wird aussenden wollen.
Fazit
Da die EZB die Ankäufe aufgrund der negativen Signalwirkung voraussichtlich nicht auf andere Assetklassen ausweiten wird und der Markt für die bisherigen Käufe im Volumen begrenzt ist, wird es wohl eine Kombination aus einer Erhöhung der monatlichen Käufe und der Verlängerung der Laufzeit geben. Zudem dürfte es zu einer Senkung des Einlagezinses kommen. Die Citigroup könnte mit ihrer Prognose richtig liegen.
In den Kursen sind diese Maßnahmen zumindest zum Teil bereits eingepreist. Entsprechend hoch ist das Enttäuschungspotenzial, wenn die EZB diese Wünsche nicht erfüllt. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Kurse nach der EZB-Sitzung, vielleicht noch nach einer Erleichterungsrally, wenn die Markterwartungen erfüllt oder übererfüllt wurden, im Hinblick auf eine Zinsanhebung der US-Notenbank Fed am 16. Dezember wieder den Rückwärtsgang einlegen.
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Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 02.12.2015)