Der Enbridge CEO Greg Ebel hat den schleppenden Ausbau kanadischer LNG-Kapazitäten kritisiert und dem Land ein "verlorenes Jahrzehnt" attestiert. Kanada müsse sich seiner Verantwortung für die globale Energiesicherheit bewusst werden.
Enbridge Inc. (WKN: 885427, ISIN: CA29250N1050) ist ein multinationales Pipeline- und Energieunternehmen mit Sitz im kanadischen Calgary – und damit naturgemäß an allem interessiert, das den Aus- und Neubau von Pipelines erforderlich macht.
CEO Greg Ebel hat eigenen Angaben zufolge kürzlich vor Kabinettsministern in Ottawa vorgesprochen und die Bedeutung der weiteren Entwicklung der Energieinfrastruktur in Kanada dargelegt.
"Verpasste Gelegenheit für Kanada"
Er bezeichnete die schleppende Entwicklung von Flüssiggasinfrastruktur für den Export auf dem Weltmarkt als "verpasste Gelegenheit für Kanada". Ebel verwies darauf, dass die USA erst 2016 mit dem Export von Flüssigerdgas (LNG) begonnen hätten. Mittlerweile hätten die USA jedoch mehr LNG Exportkapazitäten aufgebaut und mehr Flüssiggas exportiert als jedes andere Land.
Laut der US Energiebehörde (U.S. Energy Information Administration) exportierten die USA im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 11,1 Milliarden Kubikfuß pro Tag (Bcf/d). In Kanada dagegen ist noch kein einziges LNG Exportterminal in Betrieb – was Greg Ebel kritisiert.
So versorgten die Pipelines von Enbridge derzeit fünf in Betrieb befindliche LNG-Exportanlagen an der US-Golfküste mit Erdgas. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an die kanadische Regierung: Know-how und Kapazitäten für den Aufbau von Infrastruktur seien vorhanden.
Der CEO äußerte, Enbridge sei weiterhin an Akquisitionen interessiert, die die Aktivität des Unternehmens im LNG Export beschleunigen könnten. Als CEO müsse er Investitionen dort tätigen, wo diese am "willkommensten" seien. Seine erste Wahl wäre Kanada – da dies aber nicht möglich sei, müssten Investitionen woanders erfolgen.
Schleppender Ausbau von LNG Infrastruktur
Auch in Kanada wird Infrastruktur für den Export von Flüssiggas gebaut – allerdings sehr viel schleppender als in den USA. Im Bau ist etwa ein großes LNG-Exportterminal in der Nähe von Kitimat (British Columbia) von LNG Canada.
Enbridge ist zusammen mit der singapurischen Pacific Energy Corp. an der Woodfibre LNG beteiligt – einer geplanten LNG Exportanlage in der Vorbauphase. Das Projekt befindet sich in der Nähe von Squamish, British Columbia – auf halbem Weg zwischen Vancouver und Whistler – und wurde bereits durch die Provinzregierung sowie die Bundesregierung und die Squamish Nation genehmigt.
Kanada verfügt vor allem im Westen des Landes über sehr große Erdgasreserven. Viele Befürworter wie Greg Ebel fordern deshalb einen schnelleren und weitergehenden Ausbau und argumentieren mit dem weltweiten Bedarf nach Flüssiggas.
LNG wird z.B. benötigt, um Kohle zu ersetzen und dadurch CO2-Emissionsziele zu erreichen – oder um aus geopolitischen Gründen ausfallende Lieferanten zu ersetzen wie im Fall Russlands nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges.
Kostenüberschreitungen und mangelnder politischer Rückhalt bremsen
Ein klares "Go" der kanadischen Regierung gibt es für die Branche jedoch nicht. Premierminister Justin Trudeau steht einem Exportterminal an der kanadischen Atlantikküste kritisch gegenüber – gerade ein solches Terminal könnte jedoch europäische Abnehmer mit Energie versorgen. Ebel kritisiert, Kanada sehe über die große Nachfrage hinweg: "Unsere G7-Kollegen schreien nach Energie … sie klopfen an die Tür und wir scheinen nicht zu antworten".
Dass Investitionen in die kanadische Energieexportinfrastruktur schleppend verlaufen, liegt auch an Kostenüberschreitungen und Verzögerungen bei im Bau befindlichen Projekten. TC Energy Corp. etwa baut das Coastal GasLink-Pipelineprojekt für den Transport von Erdgas durch den Norden des British Columbias zum Exportterminal von LNG Kanada. Die Kosten wurden von 6,6 Mrd. USD auf 14,5 Mrd. USD nach oben korrigiert.
"Sie brauchen Stabilität und Sicherheit bei der Genehmigung"
Die Crown Corporation erweitert die Trans Mountain-Pipeline, um die Öltransportkapazitäten von Alberta zur Westküste zu vergrößern. Wurden die Kosten anfangs auf 12,6 Milliarden USD veranschlagt, lauten neueste Schätzungen nun auf 21,4 Milliarden USD. Als Gründe führte das Unternehmen Planungsdruck im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren sowie eine veränderte Route zur Schonung kultureller und ökologisch sensibler Gebiete an.
Ebel verlangt von der kanadischen Politik mehr Engagement. Unternehmen benötigen "Stabilität und Sicherheit bei der Genehmigung". Kanadische Politiker müssten die globale Verantwortung des Landes für die Energiesicherheit der Verbündeten anerkennen.