Die erste Nettoentnahme von Erdgas in dieser kalten Jahreszeit wird für den wöchentlichen Vorratsbericht der US-Administration erwartet, der heute Mittag US-Ostküstenzeit erscheinen wird. Abgesehen davon, dass dies den inoffiziellen Winterbeginn markiert, gibt es für gewöhnlich wenig Aufregung um das Ereignis. Allerdings ist 2018 bislang kein gewöhnliches Jahr für Erdgas gewesen, sodass diese Entnahme ihr eigenes Drama mit sich bringen könnte.
Mit täglichen Preisausschlägen von bis zu 19% haben die Erdgasfutures an der New York Mercantile Exchange seit letzter Woche wieder ihren legendären Status als der "Wilde Westen" am Rohstoffmarkt zurückgewonnen.
Und jetzt könnte zum ersten Mal in fünf Jahren, der Gaskontrakt für den Frontmonat Dezember an der NYMEX das kritische Preisniveau von 5 USD testen, als die unterirdischen Kavernen sich zu leeren beginnen, da der Rohstoff zum Heizen benötigt wird.
Winterreserven auf tiefstem Niveau in 15 Jahren
In der Tat kam Dezembergas auf weniger als 10 US-Cent an die Marke heran, als sein Preis vor einer Woche auf bis 4,929 USD per Million British thermal units (mmBtu) stieg. Mit den Gasreserven im Vorfeld dieses Winters auf ihren niedrigsten Niveaus, wird von vielen darauf gewettet, dass 5 USD per mmBtu bald erreichbar sein dürften.
Aber es gibt auch Spekulationen, dass wenn diese “magische Zahl” erst einmal erreicht ist, der Preis die Richtung ändern und einbrechen könnte—es sei denn natürlich, dass das Wetter kalt genug wird und damit der Heizbedarf entsprechend steigt.
Dan Myers, Erdgasanalyst bei Gelber & Associates aus Houston, sagt:
“Nach diesem Vorratsbericht und dem Feiertag zu Thanksgiving [Donnerstag], wird der Markt versuchen, einen fairen Gaspreis für diesen Winter zu finden. Aber in der Zwischenzeit sind ein Test von 5 USD und ein Absturz unter 4 USD beide im Bereich des Möglichen.”
'Schwergewichtiger' Vorratsbericht vom Mittwoch
Die US-Energieinformationsagentur (Energy Information Administration, EIA) wird heute um 19:00 MEZ ihren Bericht zum Angebot und zur Nachfrage von Gas für die Woche zum 16. November veröffentlichen.
Myers sagt der Vorratsreport wird “viel Gewicht” haben, nach der frühen Kältewelle der letzten Woche, die als Test des Heizverbrauchs angesehen wird, wenn der offizielle Winterzyklus in genau einem Monat beginnen wird. Er sagt voraus, dass die erste Entnahme der Saison 105 Mrd Kubikfuß (billion cubic feet, bcf) betragen wird—rund 80 bcf über der durchschnittlichen Entnahmemenge zu dieser Zeit des Jahres.
Andere Industrieanalysten erwarten im Durchschnitt eine Entnahme von 109 bcf, sagt Reuters. Die Nachrichtenagentur fügte hinzu, dass dies die früheste dreistellige Vorratsverringerung im November seit Beginn der Aufzeichnungen durch die US-Bundesregierung in 1994 wäre. Reuters berichtet auch, dass es letzte Woche 173 Heiztagegrade (heating degree days, HDDs) gab, verglichen mit 129 in der gleichen Woche vor einem Jahr und einem 30-Jahredurchschnitt von 110 HDDs für den Zeitraum.
HDDs messen die Anzahl der Grad Fahrenheit an einem Tag unter 65 Grad Fahrenheit (18 Grad Celsius) und werden zur Abschätzung des Heizbedarfs in Wohn- und Geschäftshäusern genutzt.
Überdurchschnittlicher Heizverbrauch erwartet
Dominick Chirichella vom New Yorker Energy Management Institute sagt:
“Die tiefen Temperaturen halten sich in der Osthälfte des Landes und in Gebieten des Landes mit hohem Erdgaskonsum. Die Nachfrage nach Erdgas zum Heizen wird für die Jahreszeit über dem Normalwert liegen.”
Die Gasvorräte betragen derzeit 3,25 Milliarden Kubikfuß (trillion cubic feet, tcf) und eine Entnahme von 109 bcf würde die Lager so leer wie zuletzt in 2003 lassen, mit Vorräten fast 16% unter dem 5-Jahresmittel, zeigten die Daten. Erdgas ist in diesem Jahr auch einer der am schwersten zu verstehenden Rohstoffmärkte gewesen, da Angebot und Nachfrage sich anders als der Rest der Wirtschaft entwickeln.
Die jüngsten Gewinne beim Gas kamen auf Kosten des Öls
Reichliche Mengen an Gas aus der primären Gasförderung und als Begleitprodukt der Schieferölförderung, haben die Produktionsmenge auf ein Rekordniveau steigen lassen—nicht unähnlich der Situation wie wir sie beim Öl sehen. Trotz dieser hohen Produktion sind die Gasreserven niemals aus dem Ruder gelaufen, zunächst dank der Sommerhitze und jetzt wegen der frühen Kälte, die die Klimaanlagen bzw. Heizungen auf Vollgas laufen ließen.
Aber anders als die Ölpreise, die anfänglich auf ein Vierjahreshoch schnellten, bevor sie den längsten Ausverkauf der Geschichte erlitten, scheint Erdgas sich anzuschicken, das Jahr 2018 als gewinnträchtigster Rohstoff zu beenden, mit einem Gewinn seit Jahresanfang von 55%. Die Händler sagen auch, dass einige der jüngsten Gewinne beim Gas auf Kosten von Öl gingen, da Hedgefonds Öl shorteten, während sie long in Gas investiert sind.
Mit weiteren 3-1/2 Monaten der kalten Jahreszeit noch vor uns, scheint der Weg des geringsten Widerstands zur Zeit nach oben zu führen.