Die US-Wirtschaft scheint widerstandsfähig und anfällig zugleich zu sein. Es gibt bei der Einschätzung der kurzfristigen Entwicklung der Wirtschaft immer Unsicherheiten, aber selten haben die Daten einen so auffälligen Kontrast der Entwicklungen aufgezeigt, die im Bereich des Möglichen sind.
Beginnen wir mit der Revision des BIP für das 3. Quartal. Das Wirtschaftsministerium hat seine Erwartungen für das Wachstum im Zeitraum von Juli bis September auf 3,2 % (gegenüber 2,9 % in der vorherigen Schätzung) korrigiert. Diese Verbesserung deutet darauf hin, dass die Erholung der Wirtschaft nach zwei vierteljährlichen Rückgängen einen starken Rückenwind hat.
Unterdessen bestätigte das wöchentliche Update der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung, dass der Arbeitsmarkt weiterhin angespannt ist. Die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg in der vergangenen Woche auf 216.000, liegt damit aber immer noch nahe an einem Tief mehrerer Jahrzehnte. Dieser Frühindikator lässt vermuten, dass die Zahl der Beschäftigten in den USA weiter steigt und damit die Schwäche in anderen Bereichen der Wirtschaft ausgleichen wird.
Auch die Rückkopplungsschleife von guten und schlechten Nachrichten spielt immer noch eine wesentliche Rolle. "Die Wirtschaft befindet sich nicht ganz so nahe an der Schwelle zum Tod, wie die Märkte dachten", kommentierte Christopher Rupkey, Chefvolkswirt bei FWDBONDS. "Die Fed wird die Zinsen im Jahr 2023 möglicherweise sogar noch weiter anheben müssen, da sich die Wirtschaft nicht verlangsamt und der Aufwärtsdruck auf die Preise anhalten könnte."
Oren Klachkin, leitender US-Volkswirt bei Oxford Economics, interpretiert die solideren BIP-Daten für das dritte Quartal ähnlich. "Die unerwartete Aufwärtskorrektur des BIP für das 3. Quartal ist ermutigend, aber die Wirtschaft wird schon bald durch die vergangene Verschärfung der Finanzmarktbedingungen und die Zinserhöhungen der Fed auf die Probe gestellt werden", kommentierte er.
Eine andere Meldung vom Donnerstag vermittelte ein wesentlich düstereres Bild. Die Jahreswachstumsrate des US-Frühindikators (LEI) ist im November weiter in den negativen Bereich gerutscht, was eine nachlassende Wirtschaftsdynamik signalisiert.
"Trotz der aktuellen Robustheit des Arbeitsmarktes - wie der US Coincident Economic Indicator im November gezeigt hat - und der Verbesserung des Verbrauchervertrauens im Dezember lässt der US LEI vermuten, dass der geldpolitische Straffungszyklus der Fed bestimmte Aspekte der Wirtschaftstätigkeit, insbesondere den Wohnungsbau, drosselt", so Ataman Ozyildirim, Senior Director Economics von The Conference Board. "Daher gehen wir davon aus, dass eine Rezession in den USA etwa Anfang 2023 beginnen und bis Mitte des Jahres andauern könnte."
Die Anleihen- und Aktienmärkte scheinen sich trotz der Anzeichen für einen stärkeren Arbeitsmarkt den negativen Konjunkturaussichten anzuschließen. Bemerkenswert ist, dass die geldpolitisch sensible 2-jährige Treasury-Rendite nun zum ersten Mal seit fast drei Jahren unter dem Mittelwert für Fed Funds notiert. Was das bedeutet: Der Fed-Leitzins steht kurz vor seinem Höchststand, wenn er ihn nicht schon erreicht hat. Die implizite Annahme: Eine straffere Geldpolitik erhöht das Risiko, dass die Wirtschaft schrumpft, und der Markt für Staatsanleihen wettet schon darauf, dass die Fed ihre Zinserhöhungen bald paussieren wird.
Der Aktienmarkt ist sich einig, dass die makroökonomischen Aussichten nach wie vor dornig sind, zumindest scheint es so, wenn man die anhaltende Talfahrt des S&P 500 Index als Indikator nimmt. Die Aktien haben in diesem Jahr drei erfolglose Ansätze für eine Erholung erlebt. Das ist vor allem auf die pessimistischen Erwartungen im Zusammenhang mit Zinserhöhungen und der Verlangsamung des Wachstums zurückzuführen.
Die besondere Herausforderung für die Märkte ist hier die Frage, ob die Fed die Zinsen unter Umständen zu weit anheben könnte, was das Rezessionsrisiko erhöht. Die Märkte schätzen derzeit die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ein, dass die Fed weiterhin umsichtig handeln wird, um die Inflation einzudämmen, was wiederum bedeutet, dass das wirtschaftliche Risiko erhöht bleiben wird.
Die wichtigste Variable sind nach wie vor die Inflationsdaten. Wenn der Preisdruck in den kommenden Monaten nicht schnell genug nachlässt, um den Plänen der Fed gerecht zu werden, sind weitere Zinserhöhungen wahrscheinlich. Dieses Szenario wiederum wird das Rezessionsrisiko erhöhen.
"Der Konsens besagt ziemlich eindeutig, dass es 2023 eine Rezession geben wird", sagt Chuck Carlson, CEO von Horizon Investment Services, zu diesem Thema. "Inwieweit der Markt eine Rezession bereits eingepreist hat, ist noch einmal eine eigene, ziemlich knifflige Fragestellung."