Vorgestern haben die Daten zu den US-Verbraucherpreisen die Hoffnungen auf eine nachlassende Inflation gedämpft, gestern waren es die Erzeugerpreise. Auch diese haben überraschend wieder angezogen.
Erzeugerpreise ebenfalls höher als erwartet
Zum Vormonat stiegen sie im Juni um 1,1 % und damit stärker als von Experten erwartet. Diese hatten mit +0,8 % gerechnet, nach einem Anstieg um 0,9 % im Mai. Das Plus zum Vorjahresmonat kletterte damit auf 11,3 %, nach +10,9 % im Mai und +11,0 % im April. Immerhin blieb der aktuelle Wert aber unter dem vom März, als mit +11,6 % das jüngste Hoch markiert wurde. Dennoch deuten die Daten zumindest auf eine anhaltend hohe Inflation hin.
Größere Hoffnung auf eine zukünftig nachlassende Inflation macht hier lediglich die Kernrate (ohne Nahrungsmittel, Energie und Handelsdienstleistungen), die - wie vorgestern die Kernrate der Verbraucherpreisdaten – zum dritten Mal in Folge leicht nachgegeben hat (siehe „Der letzte Inflationsschock?“).
Fed-Zinsanhebung um einen vollen Prozentpunkt wahrscheinlich
Diese Daten dürften das Fed-Mitglied Raphael Bostic in seiner Ansicht bestärken, eine Zinserhöhung um einen vollen Prozentpunkt auf der nächsten Zinssitzung nicht auszuschließen. „Alles steht zur Debatte“, sagte der Chef des Fed-Ablegers von Atlanta votgestern bereits nach den überraschend hohen Verbraucherpreisdaten auf die Frage, ob die US-Notenbank (Fed) ihre jüngste Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte nun übertreffen könnte. Der Future-Markt preist einen derartigen Zinsschritt laut dem „Fed Watch Tool“ der CME Group (NASDAQ:CME) inzwischen schon mit einer Wahrscheinlichkeit von 85,7 % ein.
(Quelle: cmegroup.com)
Mit einem solchen Zinsschritt wird eine Rezession zunehmend wahrscheinlich. Zumal die Wirtschaft in den USA dem „Beige Book“ zufolge von Mitte Mai bis Mitte Juli schon nur noch „mäßig“ gewachsen ist. „Mehrere Distrikte berichteten über zunehmende Zeichen für eine Verlangsamung der Nachfrage“, teilte die US-Notenbank in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturbericht mit. Und in 5 der 12 Bezirke seien sogar schon Sorgen über ein erhöhtes Rezessionsrisiko laut geworden.
Aus allen seien „substanzielle Preiserhöhungen“ gemeldet worden. Und es wird davon ausgegangen, dass der Preisdruck bis mindestens Ende des Jahres anhalten werde. Da sich zugleich der Job-Boom am US-Arbeitsmarkt im Juni mit einem unerwartet kräftigen Stellenaufbau fortsetzte, und die Fed nur die zwei Ziele Preisstabilität und Vollbeschäftigung zur Aufgabe hat, wird sie mit starken Zinsanhebungen eine Rezession in Kauf nehmen (müssen).
Rezessionssorgen lassen Rohstoffpreise einbrechen
Da verwundert es nicht, dass die Edelmetalle Gold und Silber gestern erneut teils kräftige Einbußen hinnehmen mussten – der Silberpreis gab um rund 5 % nach. Ähnliche Rückgänge mussten auch die Ölpreise hinnehmen, die unter der Erwartung leiden, dass eine Rezession die Nachfrage nach Energie dämpft, weil weniger Güter und Dienstleistungen angeboten werden.
EUR/USD unter Parität
Und weil die Zinsdifferenz zur Eurozone mit diesen Aussichten wieder größer wird, verwundert es nicht, dass der Euro gestern weiter Schwäche bzw. der Dollar weiter Stärke gezeigt hat und der EUR/USD deutlich unter die Parität gerutscht ist (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).
Die folgende Grafik der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zeigt eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen der Zinsdifferenz und der Wechselkursentwicklung.
(Quelle: Helaba)
Die Analysten der Helaba stellen in einer aktuellen Analyse zugleich auch einen Zusammenhang zwischen dem steigenden Erdgaspreis (in der folgenden Grafik invertiert) und dem fallenden Wechselkurs her.
(Quelle: Helaba)
Denn steigende Energiepreise sind insbesondere auf russische Lieferkürzungen zurückzuführen, was insbesondere die Euro-Wirtschaft und damit deren Währung belastet, so die Logik hinter der Grafik und der Kursentwicklung. Dementsprechend wäre eine deutliche Gegenbewegung denkbar, wenn Russland die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach der Wartung ab dem 21. Juli wieder aufnimmt.
Kursentwicklung beim EUR/USD scheint überzogen
Dies ist auch vor dem Hintergrund zu erwarten, dass die Wechselkursentwicklung aktuell insbesondere von kurzfristigen Faktoren beeinflusst ist. Betrachtet man längerfristige Entwicklungen, so scheinen die aktuellen Kursrückgänge überzogen. So ist zum Beispiel die Zinsdifferenz bei den 10-jährigen Staatsanleihen seit Monaten per saldo nahezu unverändert.
(Quelle: Helaba)
Gründe dafür können sein, dass Anhebungen der „Federal Funds Rate“ auf 3,5 % bereits eingepreist wurden und aufgrund der erwarteten Rezession auch für die US-Wirtschaft bereits wieder mit Zinssenkungen im kommenden Jahr gerechnet wird (siehe dazu auch „Aktien und Euro: Weiterhin Chancen für stärkere Kurserholungen“). Zudem wird der starke Dollar das Problem der hohen US-Handels- und Leistungsbilanzdefizite verstärken (ausführlichere Erklärungen dazu finden Sie u. a. auch in der Börse-Intern-Ausgabe vom 20. April). Außerdem ist die Verschuldung der USA höher. Langfristig ist dies bearish für den Dollar und bullish für den Euro.
Starke Abweichung von der Kaufkraftparität
Für eine aktuelle Übertreibung nach unten und eine langfristige Kurserholung des EUR/USD spricht auch die aktuelle starke Abweichung von der Kaufkraftparität. Seitdem hat sich die Lage noch einmal verschärft.
(Quelle: Helaba)
Laut dieser aktuellen Helaba-Grafik war der US-Dollar lediglich beim (zurückgerechneten) Wechselkurs Mitte der 80er Jahre, als Folge der damals sehr restriktiven Fed-Politik, stärker überbewertet bzw. der Euro unterbewertet.
Charttechnisch überverkauft
Ich sehe in der aktuellen Abwärtsbewegung des EUR/USD eine Art Sell-Off. Bereis am vergangenen Freitag hatte ich den Lesern im Target-Trend-Spezial geschrieben, dass bei einem Kurs von 1 USD, also bei Parität, der Wechselkurs besonders stark in den Fokus rücken dürfte und leicht tiefere Kurse als Test durch die Bären durchaus zu erwarten sind. Vielleicht wollten die Anleger den Wechselkurs nur unter der Parität sehen. Und womöglich geben sie sich damit nun zufrieden, nachdem dieses Ziel gestern erreicht wurde.
Jedenfalls konnte sich der Kurs gestern schon wieder über die Marke von einem Dollar zurückarbeiten (siehe EUR/USD-Chart oben und folgender Chart). Und ein Grund dafür könnte sein, dass der Wechselkurs das untere Ende eines Abwärtstrendkanals erreicht hat, der seit Mitte Februar gültig ist.
Dieser Trendkanal zeigt, dass der Kurs auch charttechnisch überverkauf ist – und zwar mit Blick auf die folgende Grafik in einem Ausmaß, das häufig nahe eines zyklischen Tiefs erreicht wurde.
(Quelle: Helaba)
Fazit
Es bleibt daher bei der Aussage aus der Analyse vom 5. Juli (siehe „DAX und EUR/USD: Wenn…, dann…“): „Wenn jetzt eine schnelle Rückkehr in den Unterstützungsbereich gelingt, dann könnte der bearishe Ausbruch von heute nur ein Fehlsignal gewesen sein. In diesem Fall bestünden wieder Chancen auf eine Kurserholung. Man könnte dann eine kleine Long-Position wagen und diese unterhalb des aktuellen Korrekturtiefs per Stop-Loss absichern.“
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus