Der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, hat endlich eingeräumt, dass die Straffung der Geldpolitik „ein wenig schneller“ erfolgen muss. Er äußerte letzte Woche bei einer Veranstaltung des Internationalen Währungsfonds, dass bei der Sitzung am 3. und 4. Mai eine Erhöhung des Leitzinses um einen halben Prozentpunkt auf dem Tisch liegen werde.
Darüber hinaus bestätigte er Markterwartungen, dass die Notenbank auch eine aggressivere Serie von Zinserhöhungen in petto hat. Analysten erwarten nun, dass der Schlüsselsatz der Fed bis zum Jahresende zwischen 2,75 % und 3 % liegen wird, anstatt der 1,9 %, die die Entscheidungsträger anlässlich der März-Sitzung des Offenmarktausschusses prognostiziert hatten.
Die Deutsche Bank hat prognostiziert, dass die raschen Zinsanhebungen in Verbindung mit einem schnellen Abbau der Fed-Bilanz die US-Wirtschaft im kommenden Jahr in eine Rezession stürzen werden.
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank (ETR:DBKGn) David Folkerts-Landau und sein Kollege Peter Hooper erwarten, dass der Leitzins Mitte nächsten Jahres einen Höchststand von 3,5 % erreichen wird, und dass die Fed ihre 8,9 Billionen Dollar schwere Bilanz bis Ende 2023 um 2 Billionen Dollar verkleinern wird, was dem Effekt von weiteren drei oder vier Anhebungen um jeweils 0,25 % entspricht.
Die Experten der Deutschen Bank sind pessimistischer als andere Ökonomen, glauben aber, dass andere ihre Einschätzung letztlich teilen werden.
Gleichzeitig scheint es im Offenmarktausschuss der Notenbank wenig Unterstützung für eine Anhebung um 75 Basispunkte zu geben, die der „Super-Falke“ James Bullard, Chef der Fed von St. Louis, als Möglichkeit genannt hatte.
Seine Amtskollegin bei der Fed in Cleveland, Loretta Mester, spielte diesen Gedanken letzte Woche bei CNBC herunter.
„Eine einmalige überproportionale Erhöhung des Leitzinses scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. Ich würde lieber überlegter und konsequenter vorgehen.“
Auch der Chef der Chicagoer Fed, Charles Evans, sprach sich Anfang der Woche gegen eine Anhebung um mehr als einen halben Prozentpunkt aus.
Die Portfoliomanager von Osterweis Capital Management äußerten sich jedoch skeptisch, dass den Entscheidungsträgern der Fed eine weiche Landung gelingen wird, bei der sie die Inflation dämpfen und gleichzeitig eine Rezession vermeiden, indem sie die Zinsen anheben und Anleihen mit kürzerer Laufzeit auslaufen lassen, ohne sie zu ersetzen.
In einem Bericht über die Aussichten für den Gesamtmarkt im zweiten Quartal, in dem die Zentralbank dafür kritisiert wird, dass sie sich nicht von Anleihen mit längeren Laufzeiten trennt, heißt es:
„Die Umsetzung eines zweigleisigen quantitativen Straffungsplans erfordert ein Maß an Finesse, für das die Fed leider nicht bekannt ist
Die Fed-Notenbanker sprechen gerne vom Erreichen des „neutralen“ Zinssatzes, der das Wirtschaftswachstum weder anregt noch drosselt. Das Problem ist jedoch, dass niemand genau weiß, wo dieser neutrale Zins liegt, und durch die hohe Inflationsrate ist seine Ermittlung schwieriger denn je.
Viele Marktteilnehmer sind der Meinung, dass man den neutralen Zinssatz nur im Nachhinein ermitteln kann, somit ist er als politischer Leitfaden nicht besonders nützlich.
Stärkere Spaltung der EZB über die Ausrichtung der Geldpolitik
In der Europäischen Zentralbank weitet sich derweil die Kluft zwischen den Falken, die für eine frühere Straffung der Geldpolitik eintreten, und den Tauben, die an der lockeren Politik festhalten wollen.
Die Kluft ist inzwischen so groß, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Mitglieder des EZB-Rats auf der Sitzung Anfang des Monats ermahnte, sich mit kritischen Äußerungen unmittelbar nach der Sitzung zurückzuhalten.
Lagarde, die vor ihrem Amtsantritt keine Erfahrung in Sachen Geldpolitik hatte, hat ihre Rolle bei der EZB eher politisch ausgefüllt und bevorzugt Zurückhaltung.
Ihr Name wurde sogar als mögliche Kandidatin für das Amt des französischen Premierministers gehandelt, wenn der gerade wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron eine neue Regierung für die Parlamentswahlen im Juni ernennt.
Die Falken der EZB erwarten die erste Zinserhöhung anlässlich der Juli-Sitzung der EZB, sobald die Zentralbank ihr Anleihekaufprogramm beendet hat.
Selbst der zentristische Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Luis de Guindos, hat angedeutet, dass im Juli ein Ende der Anleihekäufe und auch eine Anhebung der Zinssätze möglich ist.
De Guindos, ein ehemaliger spanischer Wirtschaftsminister, sagte in einem Interview, dass der Schlüssel zur zukünftigen Geldpolitik die Inflationserwartung sei.
„Sollte es zu einer Entankerung der Inflationserwartungen und zu Zweitrundeneffekten kommen, dann stellt dies für die Zukunft der Geldpolitik ein Schlüsselelement dar.“