Mit strahlendem Glanz erobert das beliebteste Edelmetall der Welt erneut die Bühne der Finanzwelt. Gold, der unvergleichliche König unter den Wertanlagen, feiert sein Comeback und setzt dabei neue Rekordhöhen in der Preisentwicklung. Doch was steckt hinter dieser Renaissance des glänzenden Schatzes? Derzeit sind es die verschiedenen makroökonomischen Risikofaktoren, die wie eine warme Brise den Wind in die Segel des Goldmarktes treiben.
Aber einige Dinge ändern sich bei Gold nie, dazu gehört auch die Schwierigkeit, einen „fairen Wert“ für das Metall zu ermitteln. Das hat die gleichen Gründe wie bei allen Rohstoffen: Es gibt keine Cashflows als Bewertungsgrundlage, keine Umsätze - und natürlich auch keine Ausschüttungen.
Noch schlimmer ist, dass der wirtschaftliche Wert von Gold, etwa im Vergleich zu Öl oder Kupfer, praktisch gleich Null ist. Die reale Nachfrage ist mit der Nachfrage nach Goldschmuck und verschiedenen industriellen Anwendungen korreliert. Der Löwenanteil der Goldnachfrage beruht jedoch auf seiner Rolle als Wertaufbewahrungsmittel und als eins von den Regierungen unabhängiges Zahlungsmittel.
Was den Goldmarkt wirklich antreibt, ist klar: die An- und Verkäufe der Zentralbanken. Obwohl die offizielle Rolle des Goldes als Fundament von Währungen seit langem vorbei ist, halten die Zentralbanken weiterhin umfangreiche Goldbestände und kaufen oder verkaufen ihre Vorräte nach Bedarf. So hat die chinesische Zentralbank ihre Goldreserven im März den fünften Monat in Folge auf über 2.000 Tonnen erhöht.
Der Kassapreis für Gold hat in letzter Zeit die Marke von 2000 USD je Unze überschritten und damit ein Rekordhoch erreicht. Die Beurteilung, ob der jeweilige Preis angemessen ist oder nicht, ist schwierig, denn es müssen eine Reihe von Variablen berücksichtigt werden, die teilweise schwammig sind. Allerdings nimmt die Attraktivität von Gold in einer Welt voller Risikofaktoren wieder zu.
Bei der Schätzung des fairen Wertes von Gold bietet sich ein Zwei-Faktoren-Modell an. Es ist hinlänglich bekannt, dass die realen (inflationsbereinigten) Zinssätze und der USD die wichtigsten Faktoren für den Goldpreis sind. Die Logik bei den Realzinsen: Wenn sie niedrig oder negativ sind, ist die relative Attraktivität von Gold, das für immer eine 0%ige Rendite abwirft, größer, da die Kosten für das Halten von Gold geringer sind.
Inzwischen gilt Gold als Alternative zum US-Dollar, der Weltreservewährung. In der Praxis ist das Wunschdenken, aber die Idee hat eine Vorgeschichte und ist einer der Gründe dafür, warum der Goldpreis in der Regel eine negative Korrelation zum Dollar hat.
Setzen wir diese Ideen in einem Modell für eine Schätzung des fairen Wertes von Gold um. In der folgenden Grafik stelle ich den Goldpreis im Verhältnis zur realen Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe für die letzten 20 Jahre dar. Die reale Rendite wird anhand der nominalen Rendite für 10 Jahre abzüglich der jährlichen Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) berechnet. Auf dieser Grundlage ist die 10-jährige Rendite negativ: 3,5 % für die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen abzüglich 5,0 % Inflation. Zu dieser Schätzung addiere ich den Kurs des US-Dollars. Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Analyse: Gold sieht überbewertet aus.
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man, wenn man statt der Realrendite die 10-jährigen inflationsindexierten Schatzanweisungen (TIPS) verwendet. Die 10-jährige TIPS-Rendite liegt derzeit bei 1,30 % (per 9. Mai). Nichtsdestotrotz deutet auch diese Modellierung darauf hin, dass Gold überbewertet ist.
Es gibt allerdings einige Vorbehalte gegen dieses Modell. Zunächst einmal gibt es verschiedene Methoden, um den „fairen Wert“ von Gold zu schätzen, und die Geister scheiden sich an der Frage, welche vorzuziehen ist. Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt: Der Goldmarkt ist hochgradig spekulativ und wird von großen Anbietern und Nachfragern mit wenig oder gar keinen rationalen wirtschaftlichen Motiven bestimmt, nämlich den Zentralbanken.
Anders ausgedrückt: Der faire Wert hat für Gold vor allem auf kurze Sicht wenig Bedeutung. Dennoch zeigen die obigen Charts, dass der Goldpreis zu hoch erscheint. Selbstverständlich könnten Angst und andere Faktoren den Preis noch weiter in die Höhe treiben.
Eine interessante Frage, die sich Goldanleger zu diesem Zeitpunkt stellen sollten: Welches Szenario könnte den Preis in die Höhe treiben? Welche Faktoren könnten den Goldpreis korrigieren lassen? Eine der Überlegungen geht dahin, dass die entscheidenden Gesichtspunkte nach Jahrzehnten niedriger Inflation und robusten Wirtschaftswachstums andere geworden sind, da die Regierungen sich verschuldet haben und die Globalisierung sich auflöst, um nur zwei Faktoren zu nennen, die Gold weiterhin verlockend erscheinen lassen.
Das jüngste Momentum deutet darauf hin, dass der Anstieg des Edelmetalls sich fortsetzen wird. Die vorangegangene faire Bewertung spricht jedoch dagegen.
Meine Schlussfolgerung: Die Zeiten des leicht verdienten Geldes der Goldrallye sind vermutlich vorbei. Das bullische Momentum scheint den Goldpreis weiter nach oben zu treiben, allerdings dürfte die Goldrallye mit einem stärkerem Gegenwind konfrontiert sein, wenn es bei den geoökonomischen und geopolitischen Bedrohungen nicht zu Eskalationen kommt. Mit anderen Worten: Im Goldpreis steckt bereits eine erhebliche Bewertung der bestehenden Risiken. Damit der Kurs des Edelmetalls weiter steigen kann, müssen vermutlich weitere negative Überraschungen kommen, die diese Party am Laufen halten.