Die westlichen Maßnahmen gegen China und Russland auf den Märkten für kritische Rohstoffe und Energie treiben Protektionismus-Indizes in die Höhe. Auch wenn Europa, Nordamerika und Australien betroffen sind, fällt Deutschland besonders auf.
Das englische Risikoanalyseunternehmen Verisk Maplecroft hat den diesjährigen "Political Risk Outlook" herausgegeben. Eine wichtige Quintessenz des rund 30 Seiten langen Dokuments: Der Kampf um Rohstoffe und sichere Lieferketten beschleunigt den ohnehin bestehenden Trend zum Protektionismus.
Der Bericht konstatiert einen "Anstieg staatlicher Interventionen und des Protektionismus auf ein Niveau, das in westlichen Demokratien seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr erreicht wurde". Die treibenden Kräfte: Regierungen in Europa und Nordamerika, die angesichts wachsender nationaler Sicherheitsbedenken den Zugang zu kritischen Ressourcen sichern wollen.
Starker Anstieg von Interventionen und Protektionismus
Der Resource Nationalism Index (RNI) von Verisk Maplecroft misst die staatliche Kontrolle der Wirtschaftstätigkeit im Bergbau- und Energiesektor in 198 Ländern. Der Index zeigt für 72 Länder in den letzten fünf Jahren einen deutlichen Anstieg der interventionistischen Politik und des Protektionismus.
In Europa zeigen mit Deutschland, Spanien, Großbritannien und Polen seit 2019 alle großen Volkswirtschaften deutliche Verschiebungen in diese Richtung – allen voran Deutschland. Deutschland ist im Index um 122 Plätze gewandert: Von Platz 154 vor fünf Jahren auf Platz 32 der Länder mit dem höchsten Risiko.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben Maßnahmen wie die Beschlagnahme von Vermögenswerten der russischen Energieriesen Gazprom (MCX:GAZP) und Rosneft (MCX:ROSN) nach dem Einmarsch in die Ukraine sowie die Erhebung von Windfall-Steuern auf Energiegewinne die Positionierung im Index verschlechtert.
Zum anderen versucht die Bundesregierung, die Lieferketten für kritische Mineralien abzusichern. Dazu hat die Regierung Scholz wie zuvor die Regierung Merkel Subventionen und Anreize zur Förderung der inländischen Verarbeitungs- und Fertigungskapazitäten aufgelegt.
Außerdem wurden strategische Partnerschaften mit ressourcenreichen Ländern wie Kanada und Australien initiiert, um den Zugang zu Mineralien wie Lithium, Kobalt und Seltenerdelementen zu sichern.
Ähnliche Trends sind dem Verisk Maplecroft Bericht zufolge in der gesamten Europäischen Union zu beobachten, was auf einen breiteren Wandel hindeutet, bei dem nationale Sicherheitsbedenken zunehmend die Rohstoff- und Industriepolitik des Blocks beeinflussen. Dies spiegele sich z.B. in der European Raw Materials Alliance (ERMA) und dem Critical Minerals Act wider.
Eine Verschärfung der Handels- und Auslandsinvestitionsregeln sei auch in den USA, Kanada und Australien zu beobachten. Der Bericht sieht deshalb eine "zunehmende Hinwendung zu nationalistischen Wirtschaftspraktiken innerhalb der westlichen Industriepolitik".
In den USA sollen Gesetze wie der CHIPS and Science Act und der Inflation Reduction Act die inländische Produktion kritischer Mineralien und Halbleiter fördern und gleichzeitig die Beteiligung Chinas einschränken.
Washington hat auch die Mineral Security Partnership (MSP) mit Australien, Kanada, Japan, Indien, Korea, dem Vereinigten Königreich und den 27 EU-Mitgliedstaaten gegründet, um den Zugang zu einer Vielzahl kritischer Mineralien zu sichern – und gleichzeitig zusätzliche Handels- und Investitionskontrollen einzuführen. "Es ist so gut wie sicher, dass die kommende Regierung unter Donald Trump diese Beschränkungen verschärfen wird", heißt es in dem Bericht.
Mischung aus Handelspolitik, Incentives und Nachhaltigkeit gegen China
Ein ähnliches Bild in Kanada: Der Investment Canada Act und die Critical Minerals Strategy zielen ebenso wie eine Verschärfung von Arbeits- und Umweltvorschriften darauf ab, chinesische Unternehmen aus dem Land zu drängen.
"In Zukunft werden westliche Nationen höchstwahrscheinlich zunehmend eine Mischung aus Handels- und Investitionspolitik sowie strengere Nachhaltigkeitsstandards einsetzen, um den Handel mit Rivalen einzuschränken und Lieferketten zu sichern", heißt es im Bericht. Dies werde für Investoren in einer Vielzahl von Politikbereichen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfassen, eine "komplexe Risikolandschaft" schaffen.
Abschließend heißt es: "Das Risiko, durch die Abkopplung von bestimmten Konkurrenten die Kosten zu erhöhen, ist bereits eingepreist".